Markus Frauchiger, lic.phil.
Eidg. anerk. Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Falkenweg 8
3012 Bern
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Psychoanalyse, Psychotherapie, Coaching, Supervision, Bern, Depression, Burnout, Phobien, Angst, Probleme, Sexualtherapie, Sexualberatung, Aggression, Verhalten, Erleben

Die Wiederkehr des Imaginären - Das narzisstische Selbstmodell

Eine Synthese aus Narzissmus- und Bezogenheitskonzepten in Zeiten von Populismus und Kommerzialisierung

Materialien und Zitatesammlung zur Enstehung, Diagnostik und Behandlung von narzisstischen Spektrum-Störungen - zusammengestellt und kommentiert von Fachpsychotherapeut FSP Markus Frauchiger in CH-3012 Bern

Markus Frauchiger: CV, Lebenslauf und Vernetzung des Autors

Veröffentlichung und Reproduktion nur auf Anfrage beim Autor möglich - dies ist ein vorläufiges Arbeitspapier, welches kontinuierlich erweitert wird.

- EINLEITUNG: Dialektische Einführung in die beiden Koordinaten
- NARZISSMUS: Regulation und Kompensation des Selbstwertes
- SELBST: Soziologische Dimensionen des Selbstwertes im "Zeitalter des Narzissmus"
- ENTWICKLUNG: Identität, Gegenwartsmomente und die "Fesseln der Liebe"
- ESOTERIK: Populismus, "das falsche Selbst" und der manipulierbare Mensch
- BEZIEHUNG: Empathie und Bezogenheit - Würdigung, Kongruenz und Echtheit
- TECHNIK: Vom Anthropozän zum Posthumanismus - Konsum, Wachstum, Medien und digital-visueller Narzissmus
- RESONANZ: Emotion, Intuition und "Embodiment, Enactment, Empowerment"
- DEMOKRATIE: Von der Aufmerksamkeit zur Anerkennung der "Andersheit des Anderen"
- PSYCHOTHERAPIE: Wirkfaktoren anerkennender, relationaler Psychotherapie
- LITERATUR: Quellenangaben und Bücher


3. SELBST: Soziologische Dimensionen des Selbstwertes im "Zeitalter des Narzissmus"
TEIL I: Das Zeitalter des Narzissmus TEIL II: Soziale Pathologien

Was der »Untertan« in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war, was der »Rebell« in den 60er Jahren war,
ist heute der »Narziss«: Ein Phänomen, welches das gesellschaftliche wie das wirtschaftliche Leben prägt.
In einer gesellschaftlichen Situation, in der Selbstdarstellung und Eigenmarketing offenbar zu den notwendigen Lebenskompetenzen gehören
, ist es unerlässlich über die psychischen Hintergründe aller Arten von Selbstinszenierungen Bescheid zu wissen.
(aus einem Coaching-Werbe-Flyer)

Ich postuliere als Fallstricke und "Gegner" einer freien Entfaltung des "Nicht-Narzisstischen", des Echten, des 'Wahren', des "inneren Selbst", nebst dem "Visuellen oder digitalen Narzissmus" (vgl.Kap.2) den seit den 90er Jahren grassierenden Turbo-Kapitalismus in seiner Ausprägung als Neoliberalismus und einer alles und jeden einnehmenden kommerzialisierten Wirtschaft, welche die Demokratie als Idee und Institution in ihren Grundfesten bedroht, uns alle ermüdet und potentiell depressiv macht (Byung-Chul Han) und einer "Postdemokratie" (Crouch: Rückfall in eine mittelalterliche, ständische Ordnung der Oligarchen und "Könige") den Weg ebnet.
Das Jahr 1989 ("Wende") hat dabei eine Scharnier-Funktion, weil ab da das vorher vorhandene labile 'Gleichgewicht der Kräfte' in Richtung Konkurrenz, Kapital und Narzissmus gestört wurde und immer noch wird.
Eine Gesundung, d.h. hier: Gleichgewicht zwischen Narzissmus und Selbst findend, des Einzelnen bedingt demnach auch eine Normalisierung der kapitalistischen Wirtschaftspolitik in ein erträgliches und menschliches Mass, wo Regulationen (u.a. (Grund-)Gesetze) und Relationen (Begegnungen zwischen den Menschen und Dingen) sowie Ethik und Moral (das sind demokratisch auszuhandelnde Werte) wieder eine grössere Rolle spielen.

SOZIOLOGIE: Eine Emanzipationsgeschichte

Da die Leitdisziplin dieses Kapitels die weit verästelte Soziologie, oder besser: die Soziologien, sind unter deren kundigen Blicken wir unsere Haupt-Themen "Wiederkehr des Imaginären bzw. Irrationalen" sowie "Entstehung von Selbst-Modellen" betrachten wollen, lohnt sich ein Blick in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser Disziplinen: Quellen:
Nassehi, Armin (2012). 'Mentalizing theories' oder 'theories of mentalizing'? In: Förstl, Hans (2te Aufl. Hrsg.). Theory of Mind - Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens S39-52. Berlin: SpringerMedizin

Gesellschafts-Diagnosen und 'Zeitdiagnosen' im Ueberblick

Der 'Gesellschafts-Charakter' - Die Aktualität der Konzepte von Erich Fromm

• Das Marketing als Strukturprinzip
• Haben statt Sein
• Die Bevorzugung inszenierter Wirklichkeit
• Kollektive narzisstische Größenphantasien und die Aechtung des Schwachen
• Attraktivität des Leblosen und Dinglichen
• Wissen um die Kunst des Lebens
Die Autoren Rainer Funk, Gerd Meyer und Helmut Johach haben im Jahr 2000 - anläßlich Fromms 100. Geburtstag - einen Sammelband 'Erich Fromm - Zur Aktualität seines Denkens' herausgegeben. Rainer Funk schreibt darin über Fromms Bedeutung für die Gegenwart. Dessen Diagnose der Moderne, die Marketing-Orientierung, ist Funks Hauptuntersuchungsobjekt (hierzu Weiterführendes in den Kapiteln 7 und 9). Er bezeichnet sie als eine moderne Gesellschafts-Krankheit, die sich an der „Verkaufsstrategie“ — was mit Marketing gemeint ist — ausrichtet: Verpackung, Aussehen, Image, Showeffekt, Vermittlung, Performance, Outfit, Inszenierung. Der Mensch identifiziert sich mit der „ökonomischen Erfordernis kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Produktionsweise“:

Das Marketing als altes Strukturprinzip in neuem Gewand

Die Bevorzugung inszenierter Wirklichkeit

Kollektive narzisstische Größenphantasien und die Aechtung des Schwachen

Die Attraktivität des Leblosen und Dinglichen

Das Wissen um die Kunst des Lebens

• durch die Fähigkeit, in liebender Weise auf andere bezogen zu sein, an ihrem Anderssein interessiert zu sein und dieses Eigensein des Anderen respektieren zu können (= Liebesfähigkeit)
• durch die Fähigkeiten, trotz des Angewiesenseins (nicht: Abhängigkeit) auf andere auf eigenen Füßen zu stehen und die Ansprüche auf Autonomie (nicht Autarkie) auch durchsetzen zu können, also andere auch enttäuschen zu können (= Autonomiefähigkeit)
• durch die Fähigkeit, sich selbst auch in den verdrängten und verleugneten Persönlichkeitsaspekten wahrnehmen zu können (= Selbsterkenntnis)
• durch die Fähigkeit, sich selbst in seiner Ambivalenz, als vermögendes und fehlbares, schöpferisches und vergängliches Wesen erleben zu können (= ambivalentes Identitätserleben)
• durch die Fähigkeit, die Wirklichkeit in ihrer befriedigenden und versagenden, erfreulichen und bedrohlichen Aspekten gleichermaßen erleben zu können (= ambivalentes Wirklichkeitserleben)
• durch die Fähigkeit, die Wirklichkeit in ihrer Gegebenheit, ohne Verzerrungen durch Wunschbilder und ohne durch Angst erzeugte Verleugnungen wahrnehmen zu können (= Realitätssinn, Vernunftfähigkeit)

Kein Zweifel, dass Fromm mit seiner Anleitung zur Kunst des Lebens Modelle und Orientierungen geschaffen hat, mit denen sich eine humanistische Ethik begründen lässt, die Leitwerte für die humanistische Organisation und Strukturierung von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur zu formulieren imstande ist. Freilich sind seine Antworten meistens konträr zum Mainstream der am Marketing und an der nekrophilen Berechenbarkeit orientierten Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Darum scheiden sich gerne die Geister an Fromm. Die einen halten ihn für einen blauäugigen Illusionisten oder sie machen ihn wegen seiner Gesellschaftskritik zu einem Pessimisten; die anderen fühlen sich in seinen Erkenntnissen und Schriften von seinem unerschütterlichen Glauben an das Leben und an das Lebendige im Menschen angesprochen. „Das, was lebendig ist”, sagt Fromm (1967 S.345), „zieht an, und zwar nicht, weil es groß und mächtig ist, sondern weil es lebendig ist.” Dieser Glaube an das Lebendige wird auch heute noch für viele Leser spürbar und macht ihnen Mut bei der eigenen Suche nach der Kunst des Lebens. So hat die bleibende Aktualität Fromms ihren eigentlichen Grund in der Aktualität der Kunst des Lebens.
Quelle: Quelle: Funk, R., Johach, H., Meyer, G. (2000, Hrsg.). 'Die Aktualität Erich Fromms'. In: 'Erich Fromm Heute - Zur Aktualität seines Denkens'. München: dtv, S.7-19.

Literaturhinweise: Die Buchhinweise und Zitate beziehen sich auf die Gesamtausgabe in zwölf Bänden, hg. von Rainer Funk, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999 - 1941a: Die Furcht vor der Freiheit, GA I, S.215-392.
- 1947a: Psychoanalyse und Ethik. Bausteine zu einer humanistischen Charakterologie, GA II S.1-157.
- 1956a: Die Kunst des Liebens. GA IX, S.439-518.
- 1964a: Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen, GA II, S.159-268.
- 1967e: „Die Faszination der Gewalt und die Liebe zum Leben”, GA XI, S.339-348.
- 1973a: Anatomie der menschlichen Destruktivität, GA VII.
- 1976a: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, GA II, S.269-414.


Erich Fromm hat in seinem Erstlingswerk 'Die Furcht vor der Freiheit' (1941) drei „Fluchtmechanismen“ beschrieben, mit denen der Mensch der Neuzeit der Angst vor dem Selbstverlust zu entkommen trachtet:
1.) der Weg ins Autoritäre, bei dem der Mensch sich und andere autoritär beherrschen will oder seine Zuflucht in der Unterwerfung unter eine irrationale Autorität sucht;
2.) der Weg in eine konformistische Anpassung, bei der er sein Heil in einem Pseudoselbst - in Pseudodenken, -fühlen und -handeln - sucht;
3.) und schließlich der Weg ins Destruktive nach der Devise, wenn sich die eigene Befindlichkeit nicht durch Wachstum transzendieren lässt, dann durch Zerstören.

Langeweile und Depression

Konsumismus und Gewalt

Der Konsumismus ist nach Fromm eine Konsumgier, bei der das Konsumieren die Illusion nährt, glücklich zu sein, während man unbewusst unter Passivität und Langeweile leidet („Die Anwendung der humanistischen Psychoanalyse auf die marxistische Theorie“ (1965c) GAV S.405).
Je mehr der 'homo consumens' konsumiert, „um so mehr wird er zum Sklaven der ständig wachsenden Bedürfnisse, die das Industriesystem erzeugt und manipuliert (...) Die Befriedigung seiner Gier wird zum Sinn seines Lebens, das Streben danach wird zu einer neuen Religion. Die Freiheit zu konsumieren wird zum Wesen der menschlichen Freiheit.“ Taucht die Gefahr auf, dass diesen Menschen „ihre Langeweile bewusst werden könnte, verhindern sie dies mit Hilfe zahlreicher Mittel, die verhüten, dass die Langeweile manifest wird: mit Trinken, Fernsehen, Autofahren, Party-Besuchen, sexueller Betätigung oder dem Einnehmen von Drogen“.
Die psychologische Bedeutung des Konsumismus lässt sich nach Fromm am Esszwang illustrieren: Dem Esszwang liegt meist kein wirklicher Hunger, sondern eine unbewusste Depression oder Angst zugrunde. „Der Mensch fühlt sich leer, und um diese Leere gleichsam symbolisch auszufüllen, füllt er sich mit Dingen an, die von außen kommen, um so das Gefühl der inneren Leere und der inneren Schwäche zu überwinden.“ Die gleiche Bedeutung hat der Konsumismus, um das Gefühl der Langeweile zu vertreiben, wobei sich das Konsumieren bevorzugt auf Dinge bezieht, die belebend, kurzweilig, unterhaltsam, ereignishaft sind, um das Gefühl der Langeweile ersetzen zu können. Weil heute Langeweile, wenn sie denn bewusst werden dürfte, in erster Linie als Antriebslosigkeit und Leblosigkeit gespürt würde, heißt Konsumieren vor allem, an al-lem teilhaben zu wollen, was einen belebt und zum Erlebnis werden kann. Natürlich bezieht sich der Konsumismus noch immer auch auf Essen, Trinken und Einkaufen, aber eben auch verstärkt auf das Reisen, den Besuch von Ausstellungen, Konzerten und anderen Kulturevents und Happenings.

Neben dem „Medikament“ Konsumismus bietet die Gesellschaft vor allem noch das „Medikament“ Gewalttätigkeit an, um das unerträgliche Gefühl der Langeweile nicht spüren zu müssen. Dies mag angesichts der öffentlichen Reaktionen auf Amokläufer und Kinderschänder wenig überzeugend sein, ist die Entrüstung über die Killerspiele, Waffenbesitzer und Gewaltvideohersteller doch unübersehbar. Die öffentliche Entrüstung war jedoch schon immer ein Indiz für das heimliche oder faktische Interesse an dem, worüber man sich entrüstet. Wie könnte es sonst sein, dass inzwischen fast jeden Abend auf irgendeinem Fernsehkanal ein „Tatort“ ausgestrahlt wird? Und diese Filme werden vor allem wegen der Einschaltquoten, sprich dem Interesse der Zuschauer, ausgestrahlt.
Quelle: Funk, Reinhard (2010). Langeweile und Suchtverhalten nach Erich Fromm. In: 'Fromm Forum', Tübingen (Selbstverlag), Nr. 14, S.6-14, hier S.7f.


Da es in diesem Kapitel um das Zusammenwirken oder zumindest um die Analogie von individuellem Narzissmus, wie er im letzten Kapitel beschrieben wurde, und kollektivem gesellschaftlichem Wandel in Richtung von mehr Narzissmus und/oder mehr Depression geht, erscheint mir folgender Text von Alain Ehrenberg aus seinem 2010 auf französisch erschienen Werk "Das Unbehagen in der Gesellschaft" als Einleitung sehr aussagekräftig [Hervorhebungen von M.F. wie immer in eckigen Klammern]: Im Klappentext zu Ehrenbergs "Unbehagen" heisst es konstatierend:
Wenn wir einen Schritt zurücktreten, kommen wir neben u.a. Freuds "Unbehagen an der Kultur", LeBon's "Psychologie der Massen", Taylor's "Unbehagen an der Moderne" (vgl. Kap.7) und Bernays "Propaganda" nicht um Riesman's "Die einsame Masse" herum um die Veränderungen in den 60er und 70er Jahren aus soziologischer Sicht erklären zu können, was Lasch und Sennett weiter unten ausführen werden. Ich skizziere im folgenden die oben mit Fromm der 40er Jahre angefangene Aufstellung wichtiger Stationen der Zeitdiagnostik bzw. dem Gesellschaftscharakter in chronologischer Reihenfolge:
In Ehrenbergs Worten geht es in diesem 1950 erschienen Werk des Amerikaners David Riesman um folgendes:

3.2. David Riesman - Die einsame Masse oder der innengeleitete vs. den aussengeleiteten Menschen

I. Anerkennung durch die anderen, was einen echten persönlichen Radar erfordert, der
II. Verbreitung einer individuellen Angst und der
III. Fokussierung der Gesellschaft auf die Beziehungen. Kommen wir in grossen historischen Schritten von den 60er zu den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen es auch stark um das Zusammenwirken von individuellem und kollektivem Narzissmus ging. Hierzu wieder Ehrenberg in seinem historischen Abriss: Und weiter:

3.3. R.D. Putnam: Bowling Alone

"Im Jahr 2000 trägt der amerikanische Politologe Robert D. Putnam ein sehr reichhaltiges Korpus quantitativer Studien zusammen, die einen Ueberblick über die Tendenzen hinsichtlich der Stärke oder Schwäche sozialer Bindungen gestatten. Er weist empirisch nach, daß »die Amerikaner während der ersten zwei Drittel des 20. Jahrhunderts von einer mächtigen Welle zu einem ständig zunehmenden Engagement im Leben ihrer Gemeinschaft getragen wurden, diese Welle sich aber vor einigen Jahrzehnten - stillschweigend und ohne Vorankündigung - umgekehrt hat und wir von einer heimtückischen Strömung von Spaltungen eingeholt wurden: ohne es zunächst bemerkt zu haben, wurden wir voneinander und von unserer Gemeinschaft getrennt« (R.D. Putnam 2000 "Bowling Alone" S.27). Im Laufe der 1960er und 1970er Jahre gerät der amerikanische Individualismus zum zweiten Mal in eine Krise, die durch denselben Bruch zwischen der Verfolgung des privaten und des öffentlichen Glücks gekennzeichnet ist. Sie gab Anlass zu einer reichhaltigen Literatur und breiten Medienberichten anhand zweier Themen:
- Die Psychotherapie tritt als eine Weltanschauung auf, und
- das narzisstische Individuum erscheint als neue Figur auf der gesellschaftlichen Bühne."
(vgl. Ehrenberg 2011 S.148)

Herbert MARCUSE: Der eindimensionale Mensch, Narziss und Oedipus

"Die sixties erleben das Erscheinen einer zweifachen Kritik, einer konservativen und einer progressiven, in der die kulturalistische Perspektive der Sozialpsychologie eine wichtige Stellung einnimmt" (Ehrenberg 2011 S.151).
Die berühmteste progressive Kritik ist zweifellos die des in die USA ausgewanderten deutschen Philosophen Herbert Marcuse, der in "Der eindimensionale Mensch" (1964) eine Bilanz der repressiven Gesellschaft zieht. Marcuses Buch gehört zur Strömung der neuen radikalen Linken, aus der viele Veröffentlichungen hervorgingen, die von der Psychoanalyse inspiriert waren. Der Mensch ist nicht mehr nur materiell entfremdet, wie Marx dachte. Er ist es sogar bis in seinen eigenen Privatbereich, weil der Kapitalismus des Massenkonsums unfähig macht, sich seiner eigenen Beherrschung bewußt zu werden. Marcuse und die anderen Freudo-Marxisten wandeln die Bedeutung des Begriffs der Entfremdung um: Sie geben ihm einen psychologischen Sinn. »Die Entfremdung des Menschen ist nun«, schreibt ausserdem Turner, »eine Trennung des Individuums von sich selbst oder ein Scheitern im Hinblick darauf, sein authentisches Selbst zu finden, das es als Grundlage für die Organisation seines Lebens einsetzen muss« (Turner 1969 S.396).
Marcuse, der berühmteste der Philosophen der 'New Left', plädiert für eine Gesellschaft, in der die Sublimation selbst nicht repressiv wäre, denn jeder Zwang, den man auf den Trieb ausübt, ist ihm zufolge eine Entfremdung. Die interne Debatte innerhalb der Psychoanalyse zwischen Freudianern, Verfechtern der Triebe, und Neofreudianern, Verfechtern der Objektbeziehung, oder gar des gesellschaftlichen Ursprungs der Neurose, wie zum Beispiel den Kulturalisten, wird von Marcuse in einer gesellschaftspolitischen Perspektive wieder aufgenommen.
Politisch attackiert er 1955 die Revisionisten im Buch "Eros und Kultur", indem er sein Argument auf den revolutionären Charakter von Freuds Libidotheorie gründet. Und unter den Revisionisten ist der theoretische und politische Hauptgegner [der oben vorgestellte frühe Vertreter der Kritischen Theorie] Erich Fromm. Marcuse lehnt jene positiven Therapien ab, die »die sozialen Probleme in geistige Besorgnisse umwandeln und bestimmt die Neurose als moralisches Problem«. Sein Programm strebt die Befreiung des Triebes an, und seine Utopie ist eine Gesellschaft ohne Triebunterdrückung.
Im Buch "Der eindimensionale Mensch" greift er den Oedipuskomplex insofern an, als dieser nicht mehr die Sozialisation erklärt, denn das Kind wird durch den kapitalistischen Staat in der prägenitalen Phase sozialisiert, also noch bevor sein eigenes Ich sich in der ständigen Auseinandersetzung mit dem andersgeschlechtlichen Elternteil hätte entwickeln können. Diese Gesellschaft macht glauben, daß sie »entsublimiert«, indem sie den Wohlstand, den Konsum, den Erfolg aller wertschätzt, aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine »repressive Entsublimierung«, um eine falsche Authentizität.
Trotzdem hält er an der These fest, die er in 'Eros und Kultur' vertrat, dass der Narzissmus ein anderes Realitätsprinzip als das des Verzichts bietet, der von Freud angepriesen wurde, und dass es daher auch eine Sublimation geben könne, die nicht repressiv ist." (aus: Ehrenberg 2011 S.152f.)

"Narzissmus als Versöhnung" und als Utopie bei Marcuse

"Bei seiner positiven Bestimmung von Narzissmus kann Marcuse auf eine lange Tradition psychoanalytischer Theoriebildung zurückgreifen. Die Grundidee findet sich in Freuds Modell einer primär-narzisstischen Umweltverbundenheit, die sich später im religiösen "ozeanischen Gefühl" oder auch einem säkularen Gefühl der Verbundenheit mit dem Weltganzen ausdrückt. In Lou Andreas-Salomes Modell eines 'Narzissmus als Doppelrichtung' steht der narzisstischen Tendenz zur Separation die einer Integration mit der Umwelt gegenüber (Andreas-Salome 1921). Und Sandor Ferenczi sieht unser Leben prinzipiell vom Versuch der Rückkehr in den Mutterleib als einer Rückkehr ins Paradies motiviert (Ferenczi 1970, zuerst 1913).

Der deutsche Soziologe Lutz Eichler schreibt in seiner umfangreichen Monografie "System und Selbst" zum sog. positiven Narzissmus sensu Marcuse:

3.4. Christopher Lasch: Das Zeitalter des Narzissmus

Der amerikanische Soziologe Christopher Lasch hat im Buch "Das Zeitalter des Narzissmus" die lange andauernde Entwicklung hin zu narzisstischer Kälte und Konkurrenzdenken beherrschten Gesellschaft bereits in den 70er Jahren beschrieben und kommen sehen:
"Das vorliegende Buch beschreibt einen niedergehenden Lebensstil - die Kultur des vom Konkurrenzdenken geprägten Individualismus, die in ihrem Niedergang die Logik des Individualismus ins Extrem eines Krieges aller gegen alle getrieben und das Streben nach Glück in die Sackgasse einer narzisstischen Selbstbeschäftigung abgedrängt hat. Die narzisstischen Ueberlebensstrategien geben sich als Emanzipation von den repressiven Lebensbedingungen der Vergangenheit aus und verhelfen so einer »Kulturrevolution« zur Entstehung, die die schlimmsten Eigenschaften eben der zerfallenden Kultur reproduziert, die sie zu kritisieren vorgibt." (Christopher Lasch (1979). Das Zeitalter des Narzissmus, S.14)

Lasch meint, der Narzissmus sei "die beste Art und Weise, sich den Spannungen und Aengsten des modernen Lebens gewachsen zu zeigen und die herrschenden gesellschaftlichen Umstände bringen deshalb die narzisstischen Charaktereigenschaften deutlich zum Vorschein, die in unterschiedlichem Grade bei jedem einzelnen anzutreffen sind." (Lasch 1979 S.74)
Unter einer narzisstischen Gesellschaft versteht Lasch eine "Gesellschaft, die narzisstische Charakterzüge fördert und ihnen zunehmend Bedeutung gibt" (ebenda S.15).
Charakterstörungen sind zum wichtigsten Gebiet der psychiatrischen Pathologie geworden und dass sich, wie daran erkennbar, die Persönlichkeitsstruktur gewandelt hat, hängt mit ganz spezifischen Veränderungen in unserer Gesellschaft und Kultur zusammen: mit der Verbürokratisierung, mit dem Ueberfluss von Eindrücken und Bildern, therapeutischen Ideologien, der Rationalisierung des Innenlebens, dem Konsumkult und, in letzter Instanz, mit Wandlungen des Familienlebens und veränderten Sozialisationsmustern.
(...) Als sekundäre Merkmale des Narzissmus könnte man bezeichnen: die Formen scheinbarer Selbsterkenntnis, das berechnende Verführungsgehabe, den nervösen, selbstabschätzigen Humor. (ebenda S.53f.)
Es fällt diesem Typus leicht, auf andere Eindruck zu machen; er giert nach Bewunderung, verachtet aber alle, die er dazu bewegen kann, ihm Bewunderung zu zollen; er ist unersättlich in seinem Hunger nach Gefühlserlebnissen, mit denen sich die innere Leere füllen liesse; und er ist geängstigt durch Alter und Tod. (Lasch S.60)

Es ist bemerkenswert, dass das psychoanalytische Konzept des Narzissmus ein auch von manchen Kultur- und Sozial- und Literaturwissenschaftlern beachtetes Konzept geworden ist.
Hierzu gehört prominent der amerikanische Soziologe Christopher Lasch, der unsere Zeit, also die sogenannte (Post-)Moderne, in einer Kulturkrise sieht und dem Typus des Narzissten darin eine besondere Rolle zuweist. Lasch beklagt in seiner grundsätzlichen Kritik insbesondere das Moment der Entwertung der Vergangenheit und charakterisiert den Narzissten im »Zeitalter des Narzissmus« (so der Titel seines 1979 erschienenen Buches) wie folgt:

3.5. Richard SENNETT: Der flexible Mensch und die Tyrannei der Intimität

Der folgende einführende Text ist dem wohl wichtigsten Werk des amerikanischen Soziologen Richard Sennett entnommen: "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität" (1983). Als Kritiker des 'american way of life' macht Sennett sich Gedanken über den kulturellen Wandel bezüglich der strikten Trennung zwischen Privatsphäre und öffentlicher Sphäre im Leben der heutigen Menschen. Diese Trennung wird als Folge gesellschaftlicher und sozioökonomischer Entwicklungen gesehen, durch die der öffentliche Raum für eine Vielzahl der Bürger zu einem gefühlsmässig fremden Raum wird, in dem sie zwar z.B. beruflich tätig sind, von dem sie sich aber ansonsten abgekoppelt fühlen.
Sennets Buch gipfelt in der These, der Narzissmus repräsentiere die 'protestantische Ethik' von heute: Der Narzissmus im klinischen Verstande meint etwas anderes als die geläufige Vorstellung vom Verliebtsein in die eigene Schönheit; strenger gefasst, als Charakterstörung, bezeichnet er eine Selbstbezogenheit, die nicht mehr zu erkennen vermag, was zur Sphäre des Selbst und der Selbst-Gratifikation gehört und was nicht.
Zum Narzissmus gehört die bohrende Frage, was diese Person, dieses Ereignis »für mich bedeuten«. Seltsamerweise verhindert gerade diese Versenkung ins eigene Selbst die Befriedigung der Bedürfnisse dieses Selbst; sie bewirkt, dass die Person in dem Augenblick, da sie ein Ziel erreicht hat oder mit einer anderen Person Verbindung aufnimmt, das Gefühl hat: »Das ist es nicht, was ich wollte«.
Im Bereich der Sexualität löst der Narzissmus die körperliche Liebe aus jeder Art von Anteilnahme, ob persönlich oder gesellschaftlich, heraus. Der blosse Umstand, sich auf etwas einzulassen, schränkt anscheinend die Möglichkeiten ein zu erfahren, wer man ist, und die »richtige« Person zu finden, die einem »passt«. Jede sexuelle Beziehung, die im Banne des Narzissmus steht, wird um so unbefriedigender, je länger die Partner zusammen sind. Eine grundlegende Relation zwischen Narzissmus und Sexualität lässt sich anhand des Bildes bestimmen, das die Menschen von ihrem eigenen Körper haben.
Eine interessante Untersuchung, die in Paris über viele Jahre durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass es Menschen, die dazu neigen, die vollständige Definition ihrer Sexualität in ihrem Körper zu suchen, zusehends schwerer fällt, diesen Körper zu »symbolisieren«.
Diese Abkapselung des Körpers ist narzisstisch, weil sie die Sexualität zum ausschliesslichen Attribut einer Person macht, zu einem Sein statt zu einem Tun, und sie dadurch von jedem möglichen sexuellen Erleben isoliert. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der Narzissmus zu einer Verkümmerung der »metaphorischen« Körperwahrnehmung« führt, d.h. zu einer Verarmung jener kognitiven Fähigkeit, ein physisches Ding in ein Symbol verwandeln zu können. Das ist ein Grund, warum destruktive psychische Kräfte zum Vorschein kommen, wenn eine Gesellschaft den Wandel von der Erotik zur Sexualität, vom Glauben an emotionale Handlungen zum Glauben an emotionale Zustände durchmacht.
(...) Am häufigsten erfährt der von ihr Betroffene den Narzissmus als einen Verkehrungsprozess: Wenn ich bloss mehr empfinden könnte, oder wenn ich bloss wirklich empfinden könnte, dann könnte ich eine Beziehung zum anderen aufnehmen oder eine »wirkliche« Beziehung zu ihm unterhalten. Aber im Augenblick der Begegnung habe ich jedesmal das Gefühl, nicht genug zu empfinden. Der manifeste Gehalt dieser Verkehrung ist eine Selbstanschuldigung, aber dahinter verbirgt sich das Gefühl, von der Welt im Stich gelassen zu sein (S.21/22)

Als Charakterstörung ist der Narzissmus das genaue Gegenteil von ausgeprägter Eigenliebe. Die Versenkung ins Selbst schafft keine Gratifikation, sie fügt dem Selbst Schmerz zu. Die Auslöschung der Grenze zwischen dem Selbst und dem Anderen bedeutet, dass dem Selbst nie etwas Neues, »Anderes« begegnen kann. Dieses wird verschlungen und solange umgeformt, bis sich das Selbst darin wiedererkennt - damit aber wird das oder der Andere bedeutungslos. Deshalb bezeichnet das klinische Profil des Narzissmus keine Aktivität, sondern einen Zustand. Die Umrisse, Grenzen und Formen von Zeit- und Beziehungsverhältnissen sind ausgelöscht. Der Narzisst ist nicht auf Erfahrungen aus, er will erleben - in allem, was ihm gegenübertritt, sich selbst erleben. So wertet er jede Interaktion und jede Szene ab, weil keine ausreicht, ihn ganz zu umfassen (S.364).
Der asketische Charakter des in der modernen Gesellschaft mobilisierten Narzissmus verdichtet sich in zwei Gefühlszuständen, die in der klinischen Literatur beschrieben werden, zum einen die Furcht, etwas zum Abschluss zu bringen, zum anderen das Gefühl der inneren Leere. Die ständige Steigerung der Erwartung, so dass das jeweilige Verhalten nie als befriedigend erlebt wird, entspricht der Unfähigkeit, irgend etwas zu einem Abschluss zu bringen. Das Gefühl, ein Ziel erreicht zu haben, wird vermieden, weil dadurch das eigene Erleben objektiviert würde, es würde eine Gestalt, eine Form annehmen und damit unabhängig vom Selbst Bestand haben. (...) Wo es zu einem Abschluss kommt, scheint sich das Erleben vom Menschen abzulösen, dieser scheint von einem Verlust bedroht. Die Stetigkeit des Selbst, die Unabgeschlossenheit und Unabschliessbarkeit seiner Regungen sind ein wesentlicher Zug des Narzissmus.
Der zweite Zug des Narzissmus, bei dem die Askese eine Rolle spielt, ist das Gefühl der inneren Leere: »Wenn ich bloss etwas empfinden könnte!« - in diesem Satz gelangen Selbstverneinung und Versenkung ins eigene Selbst zu einer perversen Erfüllung. Nichts ist wirklich, wenn ich es nicht empfinde, aber ich kann gar nichts empfinden. So wird die Abwehr dagegen, dass es ausserhalb des Selbst etwas Reales geben könnte, perfekt, denn weil ich nichts empfinde, kann es ausserhalb von mir nichts Lebendiges geben. In der Therapie wirft sich der Patient vor, er sei unfähig, Interessen zu entwickeln, doch hinter diesem scheinbar von Selbstverachtung geprägten Vorwurf verbirgt sich eine Anklage gegen die Aussenwelt. Denn die eigentliche Botschaft lautet: »Nichts reicht aus, um in mir Empfindungen zu wecken«. Hinter der Leere steht die Klage, dass nichts in mir Empfindungen hervorzurufen vermag, wenn ich es nicht selbst will, und im Charakter derer, die wirklich darunter leiden, dass sie angesichts einer Person oder einer Aktivität, nach der sie sich stets zu sehnen meinten, plötzlich ein Gefühl der Leere empfinden, hat sich heimlich und unerkannt die Ueberzeugung eingenistet, dass die anderen Menschen und die Dinge, so wie sie sind, nie genug sein werden (Sennett 1983 S.376).

Richard SENNETT und Christopher LASCH in einer Zusammenschau

In einem ehrgeizigen und wohl deshalb sehr schwer leserlichen Text kombiniert der französische Soziologe Alain Ehrenberg die Konzepte und Thesen dieser beiden wichtigen amerikanischen Soziologen der 70er und 80er Jahre. Ich habe mich durch Ehrenbergs Buch "Das Unbehagen in der Gesellschaft" (2011) durchgekämpft und gebe hier mir relevant erscheinende Auszüge daraus wider, diesmal geht es um die nach-68er Aera:

Die Tragödie von Narziß oder die Weigerung des Ich, das alles auf sich zentriert [Originaltitel bei Ehrenberg 2011 S. 158]

Die Figur des narzißtischen Individuums wird von den beiden Büchern von Richard Sennett (geboren 1943) und Christopher Lasch (1932-1994) lanciert, die jeweils 1974 und 1979 veröffentlicht wurden. Diese Figur fand ihre ursprüngliche Form im puritanischen Geist, der von dem geprägt war, was Sacvan Bercovitch einen »tödlichen Narzißmus [Liebestod]« genannt hat, der ständig verordnet wurde, weil es unmöglich war, ihn zu verwirklichen:
»Das Individuum behauptet seine Identität, indem es sich gegen seine eigene Macht der Selbstbehauptung wendet. Aber Behaupten und Leugnen sind zwei Aspekte der Einbeziehung des Selbst [self-involvement].« (Bercovitch 1975 S. 20).
Narziß inszeniert noch einmal diesen Bürgerkrieg des Selbst, in dem sich die Selbstbehauptung und die Selbstverneinung in einem endlosen Kampf miteinander verschränken. Wenn der Narzißmus nach der subtilen Formulierung Sennetts »eine Selbstverleugnung [ist], die die Aufmerksamkeit auf das Selbst lenkt« (Sennett 1983 S. 375), dann erbt er auch das Dilemma des Puritaners, der nicht weiß, ob er auserwählt oder verdammt ist. Er reproduziert es im Schwanken zwischen einem grandiosen und einem armseligen Selbst, das den Mangel an 'self-reliance' bezeichnet.

Wenn Sennett grossen intellektuellen Erfolg hatte und heute immer noch ein Klassiker der amerikanischen Soziologie ist, dann hatte Laschs Buch eine phänomenale Resonanz. Es wurde von den Medien breit vermittelt (Berichte unter anderem in der 'Times' und in 'Newsweek'). Es brachte seinem Autor eine Einladung ins Weisse Haus durch Jimmy Carter ein und wurde in zahlreichen akademischen Zeitschriften besprochen, allerdings häufig negativ. Dennoch ist die Grundidee immer noch weltweit Gegenstand eines Konsenses. Lasch kam zwar von der Neuen Linken, aber seit 1965, erstmals in 'The New Radicalism in America', kritisierte er die Verwechslung zwischen dem Privaten und dem Oeffentlichen und lancierte ein Thema, das zum Gemeinplatz der heutigen Soziologie geworden ist, die Politisierung und die Ausbeutung der Gefühle: Anhand dieser Autoren geben sie an, worin diese oben erwähnten 'persönlichen Kosten' bestehen:
"Jedem einzelnen", schreibt Sennett, "ist das eigene Selbst zur Hauptbürde geworden. Sich selbst kennenzulernen ist zu einem Zweck geworden, ist nicht länger ein Mittel, die Welt kennenzulernen. Und gerade weil wir uns so sehr in uns selbst vertieft haben, fällt es uns ungemein schwer, uns selbst oder anderen ein klares Bild davon zu machen, woraus unsere Persönlichkeit besteht. Der Grund hierfür ist: Je mehr die Psyche privatisiert, das heißt ins Private gedrängt wird, desto weniger wird sie stimuliert und desto schwieriger ist es für uns zu fühlen oder Gefühle auszudrücken (Sennett 1983 S.16).
Die Psychoanalyse lehrt sie, daß der Narzißmus eine Tragödie und kein Egoismus ist, eine Tragödie des Eingesperrtseins in sich, die zwischen armseligem und grandiosem Selbst schwankt. Diese gut angepaßten, aber verletzlichen Persönlichkeiten sind ein Brennpunkt wirklicher menschlicher Spannungen und Dilemmata.
Das ist die Grundidee, die die psychoanalytische Klinik zur Soziologie Sennetts und Laschs beiträgt - und dies ist wohl auch eine der Triebfedern für den dauerhaften Erfolg ihrer Ideen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch zur gemeinsamen Kultur gehören. »Da diese Autoren [die in jüngster Zeit über den Narzißmus schreiben] die psychologische Dimension außer acht lassen«, meint Lasch, »verfehlen sie auch die soziale« (Lasch 1979 S.54). Die Psychoanalyse hat ihnen ermöglicht, den Moralismus zu verlassen, in dem Rieff noch befangen war, weil er die individuelle Tragödie nicht sieht.
Sind sie von der Nostalgie einer amerikanischen Vergangenheit befallen, die den unbeugsamen Individualismus des Pioniers mit der Solidarität der Gemeinschaften verflechtet? »Das vorliegende Buch«, schreibt Lasch in der Einleitung, »beschreibt jedoch einen niedergehenden Lebensstil - die Kultur des vom Konkurrenzdenken geprägten Individualismus, die in ihrem Niedergang die Logik des Individualismus ins Extrem eines Krieges aller gegen alle getrieben und das Streben nach Glück in die Sackgasse einer narzißtischen Selbstbeschäftigung abgedrängt hat«. (Lasch 1979 S.14)
Richard Sennett geht in dieselbe Richtung: »Aber man hat es heute gar nicht mit einem kruden Individualismus zu tun, sondern vielmehr mit einer Angst vor individuellem Empfinden, die in den Vorstellungen der Individuen vom Funktionieren der Welt einen breiten Raum einnimmt.« (Sennett 1983, S.18)
Jenseits des nostalgischen Scheins ist ihre gesellschaftliche, moralische und politische Kritik ein Ritual der Feier Amerikas und seiner verlorenen Ideale der Verfolgung des privaten und öffentlichen Glücks. Ihre beiden Bücher loben Amerika, wobei sie den alten, echten Individualismus dem neuen, künstlichen Individualismus des Gefühls, des Körpers, der Affekte, der Triebe entgegensetzen. Sie stehen ganz in der Tradition der amerikanischen Jeremiade, der sie mithilfe der jüngsten Sprache der Psychopathologie Ausdruck verleihen, die die Psychoanalyse der Neurosen modernisiert hat und den Dilemmata Rechnung trägt, mit denen die heutigen Menschen konfrontiert sind.

Sennett und Lasch beziehen sich beide auf Riesman, Lasch außerdem auch auf Fromm. Zwischen den Jahren der Nachkriegszeit, die von diesen beiden klassischen Autoren analysiert wurden, und den 1970er Jahren findet folgender Wandel statt: Die Hauptverbündeten der amerikanischen Mittelschicht der 1970er bis 2010er Jahre sind demnach die TherapeutInnen, die ihnen die Hoffnung geben, »psychische Gesundheit« (Lasch 1979 S.31) zu erlangen. Die Emanzipation von traditionellen institutionellen Zwängen verschafft dem Individuum nicht »die Freiheit, autonom zu sein und Gefallen an seiner Individualität zu finden«. Ganz im Gegenteil, sie trägt zu einer persönlichen Unsicherheit bei, die es nur dadurch beherrschen kann, daß es sein Selbst in der Aufmerksamkeit reflektiert sieht [vgl.Kap.9:Anerkennungsfalle], die ihm die anderen zuwenden: »Für den Narzißten ist die Welt ein Spiegel, während der robuste Individualist in ihr nichts als freie Wildnis sah, die er nach seinem Willen formen konnte« (Lasch 1979 S.27).
Lasch wirft den Gesellschaftsanalysen, die den Narzißmus und den Egoismus einander angleichen, vor, daß sie nicht auf die klinischen Arbeiten über den pathologischen Narzißmus eingehen, denn »die Selbstbezogenheit rührt nicht aus Selbstzufriedenheit, sondern aus Verzweiflung« (Lasch 1979 S.46).
Das Ueber-Ich wird umso strenger, je mehr die geachteten Autoritätsfiguren geschwunden sind. Die Individuen finden in ihrem Ich nur noch Leere oder Allmacht. Sie sind Gefangene einer Position, die im Gegensatz zur 'self-reliance' [Def. s.o.] steht.
Sennett präzisiert, daß »in unserem Jahrhundert die klinischen Symptome, von denen die Psychoanalyse ihren Ausgang nahm, mehr und mehr verschwunden [sind]. Zwar begegnet man auch heute noch Hysterien und hysterischen Formationen, aber sie machen nicht mehr den Hauptteil psychischer Störungen aus.« (Sennett 1983 S.363)
Die neuen Nöte sind mit Charakterstörungen verbunden oder die Symptome sind weniger präzise als bei der Hysterie oder der Zwangsneurose. Sie ergeben kein klares nosographisches Bild und haben manchmal die Tendenz, gestaltlos zu sein.
Die Daten zeigen »ein psychisches Unbehagen, das sich eher durch seinen vagen und gestaltlosen Charakter offenbart«.
Dieses Unbehagen besitzt eine zweifache Charakteristik: das Gefühl innerer Leere und die Suche nach Empfindungen, um diese Leere auszufüllen. Der Patient beklagt sich über »ein vages und diffuses existentielles Unbefriedigtsein«, in dem er zwischen Gefühlen depressiver Leere und Allmachtsphantasien hin- und herschwankt. Diese Vagheit der Symptomatologie entsteht aufgrund der Auslöschung der Grenze zwischen dem Ich und der Welt. So werden zum Beispiel im Unternehmen »die Grenzen zwischen dem Selbst und der Arbeit zunächst durch Mobilisierungsstrukturen innerhalb von Betrieb und Behörde ausgelöscht« (Sennett S.368). Diese Individuen »fügen sich gesellschaftlichen Regeln mehr aus Angst vor Strafe als aus Schuldgefühlen« (Lasch 1979 S.60). Dieser moralische Verlust ergibt sich aus dem Schwinden der vertikalen Autorität.

Die Radikalen, die noch gegen den Autoritarismus und den Konformismus protestieren, haben nicht verstanden, daß sich die Persönlichkeit verändert hat. Sie nehmen sich einen Gegner zum Ziel, der schon verschwunden ist. »Der neue Narziß wird nicht von Schuldgefühlen gequält, sondern von Aengsten. Er versucht im Leben einen Sinn zu finden. Vom Aberglauben der Vergangenheit befreit, bezweifelt er sogar die Realität der eigenen Existenz. Zugleich [geht er] jedoch der Sicherheit von Gruppenloyalitäten verlustig und faßt jedermann als Rivalen auf« (Lasch S.14). Denn die Emanzipation der Sitten hat die Konkurrenz auf alle Lebensbereiche ausgedehnt, während sie zugleich deren traditionelle moralische Stützen geschwächt hat. Nun zerstört sie die Einheit von Selbstvertrauen und Unabhängigkeit, in der die self-reliance besteht, und stürzt die Menschen in die Abhängigkeit von der Meinung der anderen.
Die Intimität ist eine Tyrannei, die die Schranken zu beseitigen versucht, welche die Menschen trennen, aber, so Sennett, »in Wirklichkeit führt dieser Prozeß zur Psychologisierung der Herrschaftsstrukturen in dieser Gesellschaft« (Sennett in 'Verfall und Ende des öffentlichen Lebens' S.377) oder, wie Lasch meint, zu »neuen Formen gesellschaftlicher Kontrolle« (Lasch S.279), die die Gerechtigkeit, die Erziehung der Kinder oder die hierarchischen Verhältnisse im Unternehmen »therapeutisieren«. Die Intimität, führt Sennett weiter aus, unterwirft alles ihrem Prinzip, das darin besteht, daß »die Gesellschaft heutzutage einzig in psychologischen Kategorien gemessen wird« (Sennett S.380). Sie schwächt die moralische Verantwortung und die traditionelle Fähigkeit, ein autonomes Leben zu führen, die sich beide auf den Willen, oder den Mangel an Willen, des Individuums, auf seine moralische Disziplin bezogen. Die Gesellschaft enthebt das Individuum von der Schuld, aber, indem sie es auf seine Unfähigkeit zur Autonomie verweist, »legitimiert sie das Abweichen von der Norm als Krankheit, erklärt den Patienten jedoch gleichzeitig für unfähig, allein mit seinem Leben zurechtzukommen, und liefert ihn den Händen von Spezialisten aus« (Lasch S.287).

Sennett und Lasch entwickeln die tragische Vision einer Gesellschaft, in der alles zum Spiegel des Ich wird. Diese Situation führt die Menschen dazu, »im Privatbereich das zu suchen, was ihnen im äußeren Bereich verweigert wird« (Lasch S.27). »Und die Lehre vom persönlichen Wachstum, die oberflächlich optimistisch wirkt, zeigt eine tiefe Verzweiflung und Resignation« (Lasch S.75). Für Sennett wird der Narzißmus von einer Vision der Gemeinschaft in Begriffen der Identität anstatt des kollektiven Handelns begleitet:
"Die Gemeinschaft ist nicht mehr das Mittel zum gemeinschaftlichen Handeln [»Gemeinschaft ist zu einer Dimension von kollektivem Sein statt von kollektivem Handeln geworden«, schreibt Sennett in "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens" S.254]. Er verknüpft den Narzißmus, den die gesamte Kultur aktiviert und der bis ins Zentrum aller zwischenmenschlichen Beziehungen dringt, mit dem Kult der Authentizität, die zum Kriterium wird, an dem man die privaten Verhältnisse mißt. Beide Soziologen führen beständig den tragischen Aspekt der narzißtischen Persönlichkeit an, die unfähig zur Sublimation ist und daher »von äußeren Kräften bedrängt wird«, gegen die sie eine ohnmächtige Wut zum Ausdruck bringt. Der Narzißmus macht auf die unerwarteten Spannungen aufmerksam, die sich aus der Emanzipation der Sitten ergeben: eine Krise des amerikanischen Zusammenlebens, der self-reliance, die der traditionelle Individualismus mit seiner ausgeglichenen Allianz von konkurrenzorientierter Spannkraft, Kooperation mit den anderen und persönlicher Unabhängigkeit symbolisierte.
Darüber hinaus ist der Narzißmus aber auch eine Art von Askese, wie Sennett betont, für den er »die protestantische Ethik der Moderne« [J. Owen King in bemerkt in einer Rezension des Werkes, daß Laschs Buch »von einem Puritaner hätte geschrieben werden können, der die Zerstörung seines eigenen Selbst beschreibt.« In: Social Science History, Sommer 1981, Bd.5, Nr.3, S.343-346. Er ordnet das Werk übrigens auch in die Gattung der amerikanischen Jeremiade ein, S.345.] ist.
Haben wir hier ein Paradox? Nein, denn es ist die protestantische Askese im Zeitalter der Anbetung des Geschöpfs, die sich in der neuen demokratischen Kultur der Gefühle zeigt, und zwar in zwei Hinsichten: in der Ablehnung der Befriedigung, die die Selbstbeherrschung mit sich bringt, und in der großen Bedeutung der Affektivität.

So wie sich der Puritanismus von dem befreit hat, was er als katholische Inszenierungen auffaßte, die die Herstellung einer direkten Beziehung zwischen dem Gläubigen und seinem Gott verhindern, führt die Personalisierung der Beziehungen und die Authentizität, die sie erfordert, dazu, dass die Masken fallen:
Verlangt wird sowohl, daß man sich ausdrückt, als auch, daß man sich beherrscht. Der Narzißmus stellt das moderne Individuum in die Spannung des Calvinisten, der nicht mehr über die Linderung »der Magie als Heilmittel« (Weber S.154) verfügt. Max Weber schreibt hierzu in "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus": »Die radikale Entzauberung der Welt, zu verstehen als Ausschaltung der Magie, ließ einen anderen Weg als die innerweltliche Askese innerlich nicht zu.« (Weber S.178).
Der Calvinismus ist die Ablehnung jeglicher »Voraussagung des Geschöpfs«: Das Handeln des Christen bestätigt seine Gnade nur dann, wenn er zum »größeren Ruhme Gottes« handelt, dessen Zwecke unpersönlich sind. »Jede rein gefühlsmäßige persönliche Beziehung von Mensch zu Mensch«, so Weber, »verfällt eben in der puritanischen, wie in jeder asketischen, Ethik sehr leicht dem Verdacht, Kreaturvergötterung zu sein« (Weber S.210, Anm.31.). Diese Art von Beziehungen lenkt den Menschen von den göttlichen Zwecken ab.
Der Narzißmus symbolisiert die umgekehrte Operation, obwohl er an der asketischen Einstellung festhält: Er fördert die Anbetung des Geschöpfs durch die Personalisierung der Beziehungen - das sind Sennetts »Tyranneien der Intimität«.
Sennett betont, daß das Problem der Affektivität im Puritanismus und im Narzißmus ähnlich ist: »Die Frage: >Was fühle ich?< wird zu einer wahrhaften Obsession.« Rieff spricht übrigens von der »permissiven« Psychotherapie als von einer »Art permanentem institutionellem Apparat unserer Kultur - eine Art von säkularem Methodismus für diejenigen, die sich mit ihren Freuden auf hartnäckige Weise unzufrieden fühlen« (P. Rieff in 'The Triumph of the Therapeutic' S.238f.). Eli Zaretsky zufolge, der sich hier Rieff sehr anzunähern scheint, »war die Psychoanalyse der Calvinismus der zweiten industriellen Revolution. Sie hat in den Anfängen des Kapitalismus eine dem Calvinismus analoge Rolle gespielt und eine dem Methodismus analoge Rolle in bezug auf die Industrialisierung.« (E. Zaretsky in 'Le Siecle de Freud' S.19.). Wir erinnern uns daran, daß es dem Gründer des Methodismus, John Wesley, zu verdanken ist, die Betonung auf die Affektivität und die Freude gelegt und die Gläubigen ermutigt zu haben, Geld zu verdienen, wodurch er einen sanfteren Weg eröffnet hat, als es der Calvinismus tat.

Die neue protestantische Askese, die narzißtische Askese, diese Weigerung des auf das Ich zentrierten Ichs fügt sich zwar in die puritanische Tradition der automachia ein, aber sie erneuerte das Sprachspiel, indem sie aus den Entdeckungen der Psychoanalyse schöpfte:
Narziss befindet sich bei seiner ständigen Selbstprüfung in der peinvollen Spannung zwischen seinem Gefühl innerer Leere, die ein drängendes Bedürfnis nach den anderen erzeugt, um diese neue Einsamkeit zu kompensieren, und der Notwendigkeit, seine Gefühle, seine persönliche Authentizität auszudrücken, die nun als innere Bedrohung erlebt wird. Und wenn die anderen ihn nicht verstehen, dann »verstärkt das die Ueberzeugung, daß unsere eigenen Triebe die einzige Wirklichkeit ausmachen, auf die wir zählen können. Das, was man fühlt, zu bestimmen, wird nun zum Ziel einer zwanghaften Suche« (Rieff S.272). Narziß kennt vielleicht keine Schuld, aber dafür wird er wie der Klein'sche Säugling im schizoid-paranoiden Zustand [vgl. Kap.4] von jenem anderen verfolgt, nach dessen Anerkennung er sucht.

Sennett und Lasch entwerfen ein Bild, das zugleich puritanisch, politisch und romantisch ist; sie beerben die dreifache Begründung des amerikanischen Selbst, dessen Zerstörung sie diagnostizieren. Narziss ist der säkulare (und aus der Perspektive der Objektbeziehung betrachtete) Nachkomme des Menschen, dem es an Glauben mangelt und dessen Bild John Cotton (1582-1654) in seinem 'Christian Calling' entworfen hat: Bei Narziss, der zwischen der Angst vor der Leere und dem Genuss seiner Allmacht hin- und herschwankt und zwischen dem armseligen und grandiosen Selbst zerrissen ist, »ist es derselbe Mangel an Glauben, der bewirkt, daß ein Mensch unter der Kehrseite des Glücks stöhnt und sich im Wohlstand in Szene setzt« (Cotton 'Christian Calling' in: P. Miller, Hrsg.: The American Puritans S.179).
Das narzisstische Individuum stellt durchaus eine Krise des Selbst dar, eine gleichzeitige Erschütterung des Glaubens an Amerika und an sich selbst.



Klappentext zu Sennett "Tyrannei der Intimität":

"Flexibilität ist das Zauberwort des globalen Kapitalismus [vgl. Z. Baumann u.v.m.], der eine neue Form des auf Kurzfristigkeit und Elastizität angelegten Wirtschaftens hervorgebracht hat. Dieses »Regime«, wie Sennett es nennt, fordert den flexiblen Menschen, der sich ständig neuen Aufgaben stellt und immer bereit ist, Arbeitsstelle, Arbeitsform und Wohnort zu wechseln. Aber, so fragt Sennett, muss diese Kurzfristigkeit des Wirtschaftens nicht in Konflikt geraten mit dem menschlichen Bedürfnis nach Stabilität? Wenn man keine Gewissheiten mehr hat, entsteht das, was Sennett »Drift« nennt, das ziellose Dahintreiben.
An mehreren Fallstudien erläutert der bekannte Soziologe die gesellschaftlichen Folgen von Flexibilität und »Drift«: das Ende der klassischen Berufslaufbahn, die Zerstörung von freundschaftlichen und familiären Bindungen und die Entwertung des »Ortes«, an dem man arbeitet, der Stadt".




Das bisherige kritisch zusammenfassend, somit einen eher konservativ-liberalen Blickwinkel einnehmend und durch die Autoren Agamben, Rosa, Han, Honneth und Dornes erweiternd (dazu später mehr) ein längerer Auszug aus Altmeyers 'Forum der Psychoanalyse'-Beitrag aus dem Jahre 2013:

3.6. Alain Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst

Depression als Zeitkrankheit .................
Quelle: Altmeyer, Martin (2009). ........... Psyche xy S.......... ..........

Die Beschleunigungsdiagnose [Hartmut Rosa]

Diese Kritik kommt interessanterweise nicht aus dem traditionell-bewahrenden Lager innerhalb der Psychoanalyse, was zeigt, dass es auch bei den "Progressiven" Relationalisten bürgerliche und konservative AnalytikerInnen gibt und nicht nur linke Adorno-Marcuse-Lorenzer-'Fans'... Die bereits beschriebene, teilweise sich unversöhnlich gegenüberstehenden Gruppen der (Neo-)Freudianer (in der Tradition von Kant stehend, in unserem Modell die Strukturachse betonenden TriebtheoretikerInnen) und der relational und sozialphilosophisch orientierten, 'amerikanisch' inspirierten Intersubjektivisten (in der Tradition Hegels und Marx stehende, im Fadenkreuzmodell die Bezogenheits-Achse betonende SozialpsychiaterInnen und -psychologInnen) eröffnen auch hier im politisch-kollektiven Themenkreis eine spannende und kontroverse Spannung und Dialektik, welche lebendige Diskussionen und somit Erkenntnisgewinne ermöglichen.
Zurück zu Altmeyers Text, wo es mit den Argumenten des Soziologen und Psychoanalytikers Reimut Reiche, einem konservativ gewordenen ehemaligen Kapitalismuskritiker und Alt-68er in der Tradition Herbert Marcuses, gegen Hartmut Rosa weitergeht: ....................

Paradoxien einer modernisierten Psyche - Lebendig, aber labil: Ambivalenz im neuen Sozialcharakter


--------> Dornes in der Psyche 2014 inkl. geharnischte Reaktionen darauf.
(...)


TEIL II: Soziale Pathologien

Deutsche 'Leitkultur': von Arschloch bis Zugluft...

Arschloch: Die deutsche Beleidigungskultur ist im Gegensatz zu den sexualisierten (Fuck you) angloamerikanischen und romanischen Sprachräumen vorwiegend analfixiert. Schimpfwörter aus der Sphäre des Exkrementellen (Scheißtyp) sind in Deutschland äußerst beliebt.
Bioprodukte: Bestehen nahezu vollständig aus glücklichen Pflanzen und Tieren, die Sie in Bioläden kaufen können. 99 Prozent der Kundschaft sind sogenannte Biodeutsche, die ganz ohne fremden Kunstdünger aus der deutschen Erde hervorgegangen sind.
Lebensabschnittspartner: Die Deutschen lieben es, aus vielen eigenständigen Worten neue Wörter zu kreieren. Darüber hinaus unterstreicht dieses wunderschöne Wort die analytische Tiefgründigkeit dieses Volkes: Denn statistisch gesehen – und das wissen die Deutschen – ist nach spätestens drei Jahren Beziehung „tote Hose“ im Bett angesagt.
Nachbarschaft: Das Zauberwort heißt: Nichtbelästigung. Ihre deutschen Nachbarn wollen nicht durch exotische Gerüche, orientalische Musik oder gar laut spielende Kinder belästigt werden. Solange Sie sich an die Nichtbelästigungsregel halten, gelten Sie in Deutschland als guter und netter Nachbar.
Philosophie: Da Sie nunmehr im Land der Dichter und Denker leben, kann es nicht schaden, wenn Sie in Gesprächen unter Freunden Kants kategorischen Imperativ oder Heisenbergs Unschärferelation wie beiläufig erwähnen.
'Tatort': Um sich zu entsündigen, gingen die Deutschen früher am Sonntagmorgen in die Kirche. Heutzutage erledigen Sie dies ganz entspannt am Sonntagabend beim Krimigucken auf der Couch.
Unverträglichkeiten: Das ist der Preis für ein modernes Leben. Die Deutschen leiden unter: Milchzuckerunverträglichkeit (Milch, Weichkäse oder Eier), Fruchtzuckerunverträglichkeit (Obst, Fruchtjoghurt, Honig oder süße Backwaren) und Glutenunverträglichkeit (Weizen, Dinkel, Grünkern oder Roggen). Werden Ihre Kinder und Enkel eines Tages auch alles bekommen.
Volksmusik: Das Verhältnis der Deutschen zu ihren Volksliedern ist vollkommen gestört. Um dies zu begreifen, schauen und hören Sie sich bitte auf YouTube folgende musikalische Interpreten an: Freddy Quinn, Rex Gildo und Heino.
Wald: Sobald Sie durch den deutschen Wald spazieren, müssen Sie die Bäume sprechen hören, Ihre Naturverbundenheit zum Ausdruck bringen oder wenigstens das Waldsterben anprangern. Beschäftigen Sie sich bitte ausgiebig mit dem deutschen Wald, denn nichts, aber auch wirklich gar nichts – außer der bereits erwähnten Fußball-Nationalmannschaft – ist den Deutschen heiliger.
Zugluft: Die Menschen in diesem Land haben eine geradezu hysterische Angst vor Zugluft, die ihrer festen Überzeugung nach die Ursache für alle nur erdenklichen Erkrankungen ist. Wann immer Sie in Deutschland ein Fenster öffnen wollen, fragen Sie bitte die anderen Personen, ob sie damit einverstanden sind. Diese Frage wird Ihnen – glauben Sie mir – sehr viel Streit und Missgunst ersparen.
Quelle:
Grabovac, Alem (2015). Von Arschloch bis Zugluft - Das ABC der deutschen Leitkultur. In: sonntaz vom 16.11.2015
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5246794&s=zugluft/

Deutsche Zunge ist Wohllaut
Wichtigstest: den Sprachen lern! Das deutsche Zunge ist Wohllaut und der Dichter wie Stänker heiliges Werkzeug für wohligem Klang, für alle die hochen Gedanken der wundervolle Ausdruck.
Und fast noch wichtigster: Du verhälst ruhig! Sei immer zimmerlaut. Des gib daher acht, dass dir deine Musik niemals scheppert aus dem Fenster – und niemals mach Allah!! Nachbar sein heißt leise, unauffällig, kein stör!!!
Dann auch dies: Die Ordnung ist der Gründlichkeit dem Saubersein voll und ganz, hat pünktlich sowieso. Auch Ehrlichkeit macht freund – drum tu so. Dessen ist genug. Und niemals erwisch!
So wie: Das Fußball ist Kultur und rund. Und dem Auto! Auch wenn augenblicks VW und DFB: Mach Emmpatie und Daumen hoch!
Deutsches Wirtschaft: so strotz und fest, dessen ist dem Vaterlande stolz und stark. Sei du dem auch!
Und: Des Deutschen ist der Ernst, aber auch gut Humor. Spaß machen immer viel Fun! Aberaber: Ironie gegen Person selbst, da wird unsicher, schneidet dumm Gesicht. Aufgepass: Die Deutsch erzählen gern viel Schwänke von über sich, in denen viel Triumpf und guter Schnitt, das dröhnt. Doch nimmer eigenselbst belach, sonst dumm guck. Und dir schnell Fresse!
Heimat – dem ist ein Gefühl, des quillt Gemütlichkeit, quollt von Natur sowie auch Kiez. Heimat – dem ist aber auch Ess und Trink. Merken: Dem Bier ist alles rein. Sowie: Das Öko ist dem Bio heilig, dann frisst alles.
Das Küchen indessen ist multi worden, hat weltweit Schmeck genommen. Nicht mehr Blutgewurst und Sauerkräutel nur, nicht Pellkartoffel nackt und Köttel mit Kaldaunen fett! Aber: Dem Hund nimmer ess. Hund ist Familie!
Obacht: Geschlechtertum ist viel, und anders wie in Muslimien. Ob Homo-, Bi- und Tri- und Multisex - keinen Kritik, sonst aus und weg!
Spitze Finger auch da: Religion! Ist nur niederflur, wie Deko dem Dasein, nicht Inhalt. Kein Brüll für Gott bittesehr! Stattdem: Standort als Glaube. Und deutsches Fußball, siehe oben. Hauptsache unverkrampf!!
Deutschsein heißt auch viel Angst
Aber Deutschsein heißen auch Angst. Angst vor vielem. Angst vor draußen. Angst vor krank. Zugluft macht tot! Und Achtung: Milchzuckerunvertrag, Fruchtzuckerunvertrag, Glutenunvertrag, Pollenunvertrag, Weltunvertrag! So weit und fertig.
Quelle: Köhler, Peter (2015). Tu dich deutsch! Kolumne: Die Wahrheit. In: TAZ vom 18.11.2015

Vom Zwang Dazuzugehören

„Erlebe dein Leben!“: So hat der Soziologe Gerhard Schulze einmal den Kernbefehl der Postmoderne auf den Punkt gebracht, in seinem Buch Erlebnisgesellschaft, das auch schon wieder zwei Jahrzehnte alt ist. Schulzes These, brutal verkürzt: Ausgerechnet die so genannten 68er haben der ganzen Konsummechanik einen gehörigen Auftrieb gegeben. Sie glaubten an den Postmaterialismus – an eine Gesellschaft, in der Geld, Besitz, Status nicht mehr so viel zählen und in der es stattdessen um Zufriedenheit, Freundschaft, Liebe und Selbstverwirklichung geht. Das sozioökonomische Panel, für das regelmässig rund 12.000 Haushalte in Deutschland zu ihren Haltungen und Einstellungen befragt werden, zeigt, dass die Werte sich exakt in diesem Sinne gewandelt haben: Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland hängt die Mehrheit längst einem postmaterialistischen (Wunsch-)Denken an.
Ueber die „Langen Nächte“ – der Museen, der Theater etc. – sagte der Soziologe Horst W. Opaschowski einmal: „(Es) wird versucht, den Daheimgebliebenen ein schlechtes Gewissen einzureden, nach dem Motto: Alle waren da, nur du nicht.“ Unser Tipp: Lassen Sie sich auf gar keinen Fall etwas einreden! Bleiben Sie einfach genauso, wie Sie sind – faul und muffelig, verschnupft, dröge und stark! (Katja Kullmann (2014). "Bleiben Sie muffelig!" - In: Der Freitag 30.4.2014 Rubrik: Die Konsumentin)

Die Krise der Moderne: 'Die bürgerliche Mitte'

Das Unbehagen in der bürgerlichen Mitte - Heinz Bude

In modernen Gesellschaften behaupten bürgerliche Lebensweisen in der Mitte der Gesellschaft ihren angestammten Platz. Da sind die Lebensformen der Langfristperspektiven, 1 der Leistungsbereitschaft, 2 der Bildungsbestrebtheit, 3 der Selbstverantwortung, 4 des Tradierungswillens, 5 der Familienwerte, 6 des gesellschaftlichen Teilhabeanspruchs, 7 des zivilen Engagements 8 und des persönlichen Bedeutungshungers 9 zu finden. Man sieht sich selbst als Rückgrat der Gesellschaft, als Trägergruppe der Kultur und als Modell für Selbstverwirklichungsideale. 10 Das sieht die Mitte nicht nur selbst so, die anderen, die von unten zur Mitte streben oder von oben mit der Mitte operieren, sehen das genauso. Das Publikum glaubt, in der Mitte der Gesellschaft die Chancen und den Charme einer modernen Gesellschaft verkörpert zu sehen, die nicht länger auf zugeschriebene Merkmale aufbaut, sondern erworbene Kompetenzen als ausschlaggebend für Anerkennung und Erfolg hält. Wer trotz Benachteiligung durch Elternhaus, Geburtsort oder Geschlechtsdefinition etwas aus seinem Leben machen will, muss sich selbst motivieren, sich selbst bilden und sich selbst erschaffen wollen. Fremdanklagen und Vorwurfsideologien mögen ihre berechtigten Gründe haben, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass moderne Gesellschaften die Sozialisierung des Einzelnen als Individuierung seiner Person denken. Ohne Loslösungsenergie, ohne Selbstständigkeitsstreben und ohne Selbstbestimmungswillen bleiben einem die ungeheuren Möglichkeiten einer Gesellschaft, die die unablässige Differenzierung als Prinzip der Steigerung 11 und den permanenten Wandel als Motor der Befreiung 12 preist, verschlossen. Man muss schon Frau oder Herr über sein eigenes Schicksal werden wollen, um in einer modernen Gesellschaft sein Glück finden zu können. Darin liegt der bürgerliche Kern des modernen Versprechens auf Inklusion aller, die guten Willens sind.
Das moderne Berufssystem ist der objektive Ausdruck dieses sozialgeschichtlich tief sitzenden Zusammenhangs. Die freien Berufe wie Aerzte, Rechtsanwälte, Architekten, Berater und Therapeuten verlangen genauso professionelle Selbstdisziplin und das Denken in größeren Zusammenhängen wie die Positionen der leitenden Angestellten in den Serviceabteilungen und im mittleren Management. Im Handel oder bei den Banken muss man selbstständig disponieren und flexibel reagieren können. Und der unternehmerische Unternehmer, so wie Joseph Schumpeter ihn beschrieben hat, 13 stellt sich als der bürgerliche Held der modernen Gesellschaft dar: wagemutig, energisch und verführerisch.
Er ist dem freien Künstler näher als dem beamteten Wissenschaftler, die beide natürlich ebenfalls zum bürgerlichen Personal der gesellschaftlichen Mitte zu zählen sind. Aus unternehmerischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Motiven speist sich zudem die heute viel beschworene »kreative Klasse« 14 in den Forschungsund Entwicklungsabteilungen und bei den Anbietern von unternehmensbezogenen Dienstleistungen, die den bürgerlichen Code mit dem Dekor der Diversität beleben" (Bude 2014 S.197-198). Quelle: Bude, Heinz (2014). Das Unbehagen in der bürgerlichen Mitte. APuZ 49/2014 »Mitte« vom 1. Dezember 2014.

Anmerkungen:
1 Norbert Elias (1976). Ueber den Prozess der Zivilisation, Bd.2, Frankfurt/M. S.312f
2 Vgl. David McClelland, The Achieving Society, Princeton 1961.
3 Vgl. Ralf Dahrendorf, Bildung ist Bürgerrecht, Hamburg 1965.
4 Vgl. Werner Kudera et al. (Hrsg.), Lebensführung und Gesellschaft, Opladen 2000.
Zugespitzt dann Hans J. Pongratz und G. Günter Voß, Arbeitskraftunternehmer, Berlin 2003.
5 Joseph A. Schumpeter (1993). Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, spricht vom Familienmotiv (S.258f) als einer zentralen bürgerlichen Motivation kapitalistischer Gesellschaften
6 Vgl. Dieter Claessens, Familie und Wertsystem, Berlin 1979.
7 Vgl. Thomas H. Marshall, Bürgerrechte und soziale Klassen, Frankfurt/M. 1992.
8 Vgl. Amitai Etzioni, The Active Society, New York 1968.
9 Vgl. Lionel Trilling, Das Ende der Aufrichtigkeit, München 1983
10 Mit Talcott Parsons gesprochen haben Gesellschaft, Kultur und Person in modernen Gesellschaften ein bürgerliches Gepräge.
11 Siehe etwa Niklas Luhmann (Hrsg.), Soziale Diferenzierung, Opladen 1985.
12 Siehe beispielsweise Ralf Dahrendorf, Der moderne soziale Konlikt, Stuttgart 1992.
13 Vgl. Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin 19938.
14 Vgl. Richard Florida, The Rise of the Creative Class, New York 2002.
15 Vgl. Michael Vester/Christel Teiwes-Kügler/Andrea Lange-Vester, Die neuen Arbeitnehmer, Hamburg 2007.
16 Vgl. Heinz Bude/Joachim Fischer/Bernd Kaufmann (Hrsg.), Bürgerlichkeit ohne Bürgertum, München 2010.


Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede

Der Begriff des Habitus wurde von dem französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu geprägt. Er versucht mit diesem Begriff den Mikro-Makro-Dualismus in der Soziologie zu überwinden: Der Habitus des Menschen vereinigt alle internalisierten gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse auf das Individuum. Er kann somit als Manifestation der gesellschaftlichen Verhältnisse bzw. des sozialen Umfeldes im Individuellen angesehen werden (vgl.Stachura 2010 S.10): Bourdieu, Lebensstil, Dinge, Unterschiede, Distinktion, Remixed, Deutschland, Multikuturalität, Kommunitarismus, multiracial americans, Ehnien, Nationalitäten, Multikulti, international, Eurozentrismus
Das Modell des sozialen Raums setzt sich aus zwei zueinander homolog strukturierten Räumen zusammen: dem Raum der sozialen Positionen sowie dem Raum der Lebensstile (abgebildet in 'Die feinen Unterschiede' 1982c S.212f). Die hier S.221 abgedruckte Abb. in vereinfachter Form stammt aus 'Praktische Vernunft - Zur Theorie des Handelns'. Frankfurt a.M. 1998,19 (=1998c Suhrkamp Verlag).
Quelle: Fröhlich, Gerhard/Rehbein, Boike (2009). Bourdieu Handbuch - Leben, Werk, Wirkung. Stuttgart: Metzler S.221.
Bourdieu, Lebensstil, Dinge, Unterschiede, Distinktion, Remixed, Deutschland, Multikuturalität, Kommunitarismus, multiracial americans, Ehnien, Nationalitäten, Multikulti, international, Eurozentrismus
Wenn man vor der Welt, wie sie ist, fliehen will, kann man Musiker werden, Philosoph, Mathematiker. Aber wie flieht man vor ihr, wenn man Soziologe ist? Es gibt Leute, die das schaffen. Man braucht nur mathematische Formeln zu schreiben, Spieltheorieübungen oder Computersimulationen durchzuexerzieren. Wenn man wirklich die Welt wenigstens ein bißchen so sehen und über sie reden will, wie sie ist, dann muß man akzeptieren, daß man sich immer im Komplizierten, Unklaren, Unreinen, Unscharfen usw. und also im Widerspruch zu den gewöhnlichen Vorstellungen von strenger Wissenschaftlichkeit befindet“ (Bourdieu/Krais 1988 S.282f.).
Quellen:
Nassehi, Armin (2012). 'Mentalizing theories' oder 'theories of mentalizing'? In: Förstl, Hans (2te Aufl. Hrsg.). Theory of Mind - Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens S39-52. Berlin: SpringerMedizin
Bourdieu P (1987) Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt/Main
Bourdieu P, Loïc J, Wacquant D (1996) Reflexive Anthropologie. Suhrkamp, Frankfurt/Main
Nassehi A (2006) Der soziologische Diskurs der Moderne. Suhrkamp, Frankfurt/Main

Soziologie als Kampfsport - Anerkennung vs. Narzissmus in der Soziologie

Seite 9: "Für manchen unserer Philosophen (und Schriftsteller) ist Sein: im Fernsehen wahrgenommen werden", erklärt er beispielsweise in seinen berühmten Vorträgen "Ueber das Fernsehen". "Der Bildschirm wurde auf diese Weise eine Art Spiegel des Narziss." (ÜdF: 16f.).

Seite 10: Das Fernsehen, das "ein hervorragendes Instrument direkter Demokratie hätte werden können", verwandle sich "in ein Mittel symbolischer Unterdückung" (ÜdF:13).

Seite 13: Das Problem der Uebermittlung: Was geht verloren, wenn man seine Gedanken für die Medien zusammenkürzt? Könnte es womöglich unterkomplex sein, alle Sozialisten und Sozialdemokraten als verkappte Neoliberale zu verteufeln?

Literatur:

Pierre Bourdieu (1998). Ueber das Fernsehen. Suhrkamp, Frankfurt a.M.

Pierre Bourdieu (1979). Die feinen Unterschiede, deutsch 1982. Suhrkamp, Frankfurt a.M.


Narzissmus: Das Ich als Vermittler zwischen Triebwünschen und Zivilisationsansprüchen

Der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und individueller seelischer Gesundheit ist m.E. viel stärker als es rein psycho-technologische Verfahren, wie es z.B. die Traumatherapie-Welle der Nuller-Jahre oder auch die (Kognitive) Verhaltenstherapie zeigt, wahrhaben wollen - diese wirken letztlich reaktionär, weil Missstände z.B. in Familien zudeckend und nicht-fokussierend, weil sie lediglich dem Individuum helfen mit erlittenem Leid besser leben zu können, anstatt die gesellschaftlichen Missstäne aufzuzeigen.

Oft nützt es mehr, wenn konkrete äussere Bedingungen verbessert werden als wenn nur inner-psychische Faktoren (wie z.B. die Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit) behandelt und gestärkt werden.

Hier ergibt sich eine Verbindung zu gesellschaftlichen Trends wie die Occupy-Bewegung oder die Piraten-Partei vor ein paar Jahren oder die aktuelle Minimalismus- und Décroissance/Downsizing-Bewegung der immer notwendiger werdenden Postwachstumsökonomie von z.B. Niko Paech.

Ueber das Zusammenwirken von Gesellschaft und Individuum

Wie ich weiter oben bereits ausgeführt habe, ist der "bewusste" Mensch (sog. "ICH") quasi eingeklemmt zwischen den triebhaften, eruptiven Wünschen des Natürlichen (sog. "ES") und den durch die Gesellschaftlichen und Kulturellen Anforderungen, welche sich im sog. Ueber-Ich angesammelt haben.
Das ICH ist nicht Herr im eigenen Haus wie Sigmund Freud treffend bemerkte und so lavieren wir dauernd hin und her zwischen den oft unvereinbaren Strebungen von unten (ES) und von oben (Ueber-ICH).
Was uns Menschen nun aber speziell auszeichnet und von fast allen anderen Tieren unterscheidet, ist gerade die Fähigkeit, uns von den Triebkräften der Natur zu emanzipieren und so zu einer menschenwürdigen Zivilisation zu gelangen. Diese an sich positive und wichtige Entwicklung der letzten paar Hundert Jahren zeigt in letzter Zeit mehr und mehr ihre Kehrseite; nämlich eine zunehmende Entkopplung der beiden Bereiche Natur bzw. Kultur, sodass sich der Mensch zunehmend entfernt von seinem Eingebettetsein in eine "Balance of Powers", sprich: Ueber-Ich-Kräfte entkoppeln sich von ES-Kräften.
Wenn dies geschieht, ensteht der sog. sekundäre Narzissmus (Definitionen weiter unten), d.h. eine Entfremdung des Menschen von sich selbst, ein künstliches Wesen entsteht, welches entkoppelt von seinen natürlichen Beschränkungen sich als allmächtig erlebt. Dieses "Everything goes" hat zunehmend Einzug gehalten in der westlichen Kultur und stellt uns heute vor so grosse Probleme wie entfesselte Marktwirtschaft (Stichwort: Wirtschaftskrise, "too big to fail"-Problematik etc.) und den Klimawandel und die Energiekrise (Fukushima zeigt uns definitiv Grenzen auf).
Spannend ist nun, dass individuelles und kollektives Geschehen psychologisch gesehen den gleichen Mechanismen folgt: Das Gleichgewicht der Kräfte ist auf beiden Ebenen störungsanfällig: man kann sagen, dass in einer Demokratie die Wirtschaft das ES repräsentiert und die Politik das Ueber-Ich. D.h. die Politik sollte die Wirtschaft in Schach halten, indem Regeln einesetzt werden, damit der Bürger (das ICH) in der Mitte der beiden Pole (links die Staatsfreunde, rechts die Wirtschaftsfreunde, eine weitere Parallele...) ein ausgeglichenes und gesundes Leben führen kann, ohne alles überblicken und selber einschätzen zu müssen. (...)



Einen der m.E. besten Artikel über die Wechselwirkung von Individuum und Gesellschaft hat Diana Diamond (in: Kernberg/Hartmann 2006 (Hrsg.) S.172ff.) geschrieben, die von der These einer Reziprozität (Wechselseitigkeit) gesellschaftlicher und psychologischer Aspekte des Narzissmus ausgeht.
Die Gesellschaft entfaltet ihren Einfluss im Individuum, das nach den jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen und Anforderungen geformt wird. Das Individuum wiederum hat Einfluss auf die Gesellschaft sowie ihrer Organisationen und wird durch die Anforderungen der innerpsychischen Welt der Triebe, Affekte und Objektbeziehungen geformt:



Soziale Pathologien II - Kritische Theorie und der Narzissmus in der Gesellschaft

Nach all den bekannten und publizistisch erfolgreichen und einflussreichen Geistesgrössen habe ich mich entschieden das Kapitel "Kritische Theorie" weitgehend mittels eines m.E. hervorragenden Vortragstextes [von mir von Füllwörtern, wie sie für die mündliche Sprache typisch sind, entkleidet] einer eher unbekannten Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt "Erinnerungskulturen" aus Wien, zu bestreiten.
Im Kapitel "Esoterik und Totalitarismus" (Kap.5 dieser Arbeit) werde ich auf Prof. Radonic zurückkommen, weil die NS-Zeit auf tragische Weise Zeugnis ablegt, was geschieht wenn die hier beschriebenen Mechanismen der Kränkung und der Projektion in voller Wucht zuschlagen und ganze Gesellschaften in die Barbarei entgleisen und nur mit grösster Mühe wieder auf zivilisierte Bahnen gelenkt werden können.
Nun aber erstmal zu den theoretischen Grundlagen eines kollektiven Narzissmus aus der Sicht der Kritischen Theorie sowie der (klassischen) Psychoanalyse:

Ljiljana Radonic: Narzisstische Kränkung und Projektion als gesellschaftliche Phänomene

"Während Freud die Zurichtung durch die Gesellschaft als unabänderlich annimmt, spricht die Kritische Theorie davon, dass es darum geht, diese Umstände als gesellschaftlich produziert zu begreifen und zwischen notwendiger und zusätzlicher Triebunterdrückung in dieser Gesellschaft zu unterscheiden, wie dies Herbert Marcuse tut. Die Lebensnot erfordert Arbeit, Arbeit ist Mühsal und das Gegenteil von Lustbefriedigung. Somit gibt es einen notwendigen Triebverzicht.
Man muss gleichsam, wenn man Hunger hat, dieses Nachgehen der Lustbefriedung aufschieben, um sich etwas zu essen zu besorgen. Darüber hinaus standen aber die konkreten Formen des Realitätsprinzips bisher immer im Dienste von Herrschaft und beinhalteten eine zusätzliche Triebunterdrückung, die weit über das notwendige Maß hinausgeht" (Radonic 2009 S.9).
. Weiter oben in diesem Kapitel sind wir der Kritischen Theorie in der Konzeption von Herbert Marcuse bereits mehrfach begegnet. Mit obigem Zitat habe ich mit Prof. Radonic daran angeschlossen, weil Marcuses Theorie erstens zwar in sich etwas Kitschig-Esoterisches hat (vgl. Kap. 5: Esoterik), aber in diesem einen Punkt wo er Freud überschreitend eine zusätzliche Triebunterdrückung postuliert, mir wichtig erscheint zur Erklärung für die verkürzte Kapitalismuskritik, z.B. auch der 'Neuen Rechten' [dazu Kap. 5: Populismus]. Diese "nicht notwendige Triebunterdrückung" deckt sich stark mit meiner Konzeption des tertiären Narzissmus, wie ich sie im zweiten und in diesem Kapitel bereits beschrieben habe, eine Form des Narzissmus, wie er weder als primäre Kränkung, dass das Ich nicht Alles ist (Primärer N.), noch als durch die Eltern bzw. Pflegepersonen verursachte Vernachlässigung bzw. Verwöhnung (Sekundärer N. z.B. der Jeunesse Dorée) auftreten kann, sondern als durch den Kapitalismus und die Moderne verursachten Narzissmus, der auch an und für sich "gesunde" Individuen erfassen kann aufgrund von manipulativen (z.B. BigData gestützt), propagandistischen (z.B. durch populistische Parteien bewirtschaftete) oder anderer werbetechnisch geschickt verkauften Scheinargumenten, welche der erweiterten Triebunterdrückung dienen bzw. eine nur scheinbar befreidigenden Triebabfuhr ermöglichen, welche "nie satt" macht und deshalb ins Unendliche kommerziell und/oder ideologisch verlängert werden kann.

Teil I: Die Narzisstische Kränkung

Die psychologischen Auswirkungen dieser Gesellschaft auf das einzelne Individuum und Entwicklungspsychologisches

Teil II: Projektion

Quelle: Ljiljana Radonic (2009). Vortrag „Ueber die Bedeutung der Psychoanalyse für die Kritische Theorie. Der Antisemitismus als narzisstische Kränkung und pathische Projektion.“ Online: http://lebenimfalschen.blogsport.de/2013/06/16/radonic-narzisstische-kraenkung

Weitere Quellen zu Narzissmus und Gesellschaft:
Blog - Narzissmus und Entgrenzung

Narzissmus und Entgrenzung - Facebook




Gedankensplitter aus "Tagesanzeiger.ch" und "Psychologieforum.ch":

Die Wirtschaft als narzisstische Brutstätte
In der sogenannten Finanz(miss)wirtschaft, die uns die Wirtschaftskrise der letzten Jahre eingebrockt hat, fühlen sich Narzissten pudelwohl: mit irrwitzigen Summen jonglieren, Blendwerke von Finanzkosntrukten schaffen und diese manipulativ in alle Welt streuen und dabei Betrügereien von immensem Ausmass einzufädeln, das ernährt das narzisstische Ego. "Sie kommen, nehmen und gehen wieder, bevor ihre Schwindel auffliegen". So der Psychiater und Gutachter Thomas Knecht im sehr lesenswerten Interview im Tages-Anzeiger vom 9.01.2010.
Erfolge werden in der Wirtschaft von Einzelnen beansprucht. Trotz dem Säuseln von der dahinter stehenden Teamleistung. Diese Einzelnen verfügen in aller Regel über eine starke narzisstische (nicht fachliche!) Potenz. Umkehrschluss: Nur wer über eine solche Potenz verfügt, kann für den "Wettbewerb" die nötige Brutalität, Menschenverachtung und Coolness entwickeln, über die Konkurrenz zu siegen. Der Narzisst ist weder solidarisch noch gemeinschaftlich orientiert.


Heiner Keupp: Vom Ringen um Identität in der spätmodernen Gesellschaft - Vortrag im Rahmen der 60. Lindauer Psychotherapiewochen 2010 (www.Lptw.de)

(...) Die Sorge, nicht mehr gesellschaftlich einbezogen, gefragt und gebraucht zu werden, bestimmt viele Menschen und sie sind deshalb oft bereit, sich an Bedingungen anzupassen, die ihnen nicht gut tun.

- Die Suche nach sicheren Bezugspunkten für einen gesichertes Fundament für ihre Alltagsbewältigung wird noch verstärkt, durch die Entwicklung hin zu einer „Sicherheitsgesellschaft“, die die defensive Variante des Ordnungstraumes der Moderne darstellt: Diese hatte und hat den Anspruch, alles Unberechenbare, Uneindeutige, Ambivalente, Fremde und Störende zu beseitigen und eine berechenbare und eindeutige Welt geschaffen. Auch wenn dieser Traum dieser Moderne nur noch selten in naiver Emphase vorgetragen wird, es gibt ihn noch und die Sicherheitsgesellschaft lebt davon. Sie will möglichst Risiken eliminieren und verstärkt dafür ihre Sicherheitssysteme. Schäubles Gesellschaftsbild kann man so einordnen.

- Die Landnahme des Kapitalismus hat längst in unseren beruflichen Welten stattgefunden.
Erich Wulff (1971) hat einst in den 70er Jahren einen spannenden Aufsatz „Der Arzt und das Geld“ veröffentlicht und hat aufgezeigt, wie die Geldlogik unbemerkt, die ärztliche Fachlichkeit und Ethik unterhöhlt. Wir haben uns angewidert abgewendet und wollten für den Bereich der psychosozialen Versorgung einen anderen Weg gehen. Inzwischen hat uns die Monetarisierung, die Ökonomisierung oder die „Vertriebswirtschaftlichung“ voll erreicht und Qualität scheint nur noch in Geldwert ausgedrückt zu werden.
Diese Alltagserfahrungen werden in den sozialwissenschaftlichen Gegenwartsanalysen aufgegriffen und auf ihre strukturellen Ursachen bezogen.
Jürgen Habermas einen „Formenwandel sozialer Integration“ diagnostiziert, der in Folge einer „postnationalen Konstellation“ entsteht: „Die Ausweitung von Netzwerken des Waren-, Geld-, Personen- und Nachrichtenverkehrs fördert eine Mobilität, von der eine sprengende Kraft ausgeht“ (1998, S. 126). Diese Entwicklung fördert eine „zweideutige Erfahrung“: „die Desintegration haltgebender, im Rückblick autoritärer Abhängigkeiten, die Freisetzung aus gleichermaßen orientierenden und schützenden wie präjudizierenden und gefangen nehmenden Verhältnissen.
Kurzum, die Entbindung aus einer stärker integrierten Lebenswelt entlässt die Einzelnen in die Ambivalenz wachsender Optionsspielräume. Sie öffnet ihnen die Augen und erhöht zugleich das Risiko, Fehler zu machen. Aber es sind dann wenigstens die eigenen Fehler, aus denen sie etwas lernen können“ (ebd., S. 126f.).

Der mächtige neue Kapitalismus, der die Containergestalt des Nationalstaates demontiert hat, greift unmittelbar auch in die Lebensgestaltung der Subjekte ein. Auch die biographischen Ordnungsmuster erfahren eine reale Dekonstruktion. Am deutlichsten wird das in Erfahrungen der Arbeitswelt.
Einer von drei Beschäftigten in den USA hat mit seiner gegenwärtigen Beschäftigung weniger als ein Jahr in seiner aktuellen Firma verbracht. Zwei von drei Beschäftigten sind in ihren aktuellen Jobs weniger als fünf Jahre. Vor 20 Jahren waren in Grossbritannien 80% der beruflichen Tätigkeiten vom Typus der 40 zu 40 (eine 40-Stunden-Woche über 40 Berufsjahre hinweg).
Heute gehören gerade noch einmal 30% zu diesem Typus und ihr Anteil geht weiter zurück.
Kenneth J. Gergen sieht ohne erkennbare Trauer durch die neue Arbeitswelt den „Tod des Selbst“, jedenfalls jenes Selbst, das sich der heute allüberall geforderten „Plastizität“ nicht zu fügen vermag. Er sagt: „Es gibt wenig Bedarf für das innengeleitete, ‘one-style-for-all’ Individuum.
Solch eine Person ist beschränkt, engstirnig, unflexibel. (...) Wie feiern jetzt das proteische Sein (...) Man muss in Bewegung sein, das Netzwerk ist riesig, die Verpflichtungen sind viele, Erwartungen sind endlos, Optionen allüberall und die Zeit ist eine knappe Ware“ (2000, S. 104).
In seinem viel beachteten Buch „Der flexible Mensch“ liefert Richard Sennett (1998) eine weniger positiv gestimmte Analyse der gegenwärtigen Veränderungen in der Arbeitswelt. Der „Neue Kapitalismus“ überschreitet alle Grenzen, demontiert institutionelle Strukturen, in denen sich für die Beschäftigten Berechenbarkeit, Arbeitsplatzsicherheit und Berufserfahrung sedimentieren konnten. An ihre Stelle tritt ist die Erfahrung einer (1) „Drift“ getreten: Von einer „langfristigen Ordnung“ zu einem „neuen Regime kurzfristiger Zeit“ (S. 26). Und die Frage stellt sich in diesem Zusammenhang, wie sich dann überhaupt noch Identifikationen, Loyalitäten und Verpflichtungen auf bestimmte Ziele entstehen sollen. Die fortschreitende (2) Deregulierung: Anstelle fester institutioneller Muster treten netzwerkartige Strukturen. Der flexible Kapitalismus baut Strukturen ab, die auf Langfristigkeit und Dauer angelegt sind. „Netzwerkartige Strukturen sind weniger schwerfällig“. An Bedeutung gewinnt die „Stärke schwacher Bindungen“, womit gemeint ist zum einen, „dass flüchtige Formen von Gemeinsamkeit den Menschen nützlicher seien als langfristige Verbindungen, zum anderen, dass starke soziale Bindungen wie Loyalität ihre Bedeutung verloren hätten“ (S. 28). Die permanent geforderte Flexibilität entzieht (3) „festen Charaktereigenschaften“ den Boden und erfordert von den Subjekten die Bereitschaft zum „Vermeiden langfristiger Bindungen“ und zur „Hinnahme von Fragmentierung“. Diesem Prozess geht nach Sennett immer mehr ein begreifbarer Zusammenhang verloren. Die Subjekte erfahren das als (4) Deutungsverlust: „Im flexiblen Regime ist das, was zu tun ist, unlesbar geworden“ (S. 81). So entsteht der Menschentyp des (5) flexiblen Menschen, der sich permanent fit hält für die Anpassung an neue Marktentwicklungen, der sich zu sehr an Ort und Zeit bindet, um immer neue Gelegenheiten nutzen zu können.

Lebenskohärenz ist auf dieser Basis kaum mehr zu gewinnen. Sennett hat erhebliche Zweifel, ob der flexible Mensch menschenmöglich ist. Zumindest kann er sich nicht verorten und binden.
Die wachsende (6) Gemeinschaftssehnsucht interpretiert er als regressive Bewegung, eine „Mauer gegen eine feindliche Wirtschaftsordnung“ hochzuziehen (S. 190). „Eine der unbeabsichtigten Folgen des modernen Kapitalismus ist die Stärkung des Ortes, die Sehnsucht der Menschen nach Verwurzelung in einer Gemeinde. All die emotionalen Bedingungen modernen Arbeitens beleben und verstärken diese Sehnsucht: die Ungewissheiten der Flexibilität; das Fehlen von Vertrauen und Verpflichtung; die Oberflächlichkeit des Teamworks; und vor allem die allgegenwärtige Drohung, ins Nichts zu fallen, nichts ‘aus sich machen zu können’, das Scheitern daran, durch Arbeit eine Identität zu erlangen. All diese Bedingungen treiben die Menschen dazu, woanders nach Bindung und Tiefe zu suchen“ (S. 189f.).

Im Rahmen dieses Deutungsrahmens räumt Sennett dem „Scheitern“ oder der mangelnden kommunikativen Bearbeitung des Scheiterns eine zentrale Bedeutung ein: „Das Scheitern ist das grosse Tabu (...) Das Scheitern ist nicht länger nur eine Aussicht der sehr Armen und Unterprivilegierten; es ist zu einem häufigen Phänomen im Leben auch der Mittelschicht geworden“ (S. 159). Dieses Scheitern wird oft nicht verstanden und mit Opfermythen oder mit Feindbildkonstruktionen beantwortet. Aus der Sicht von Sennett kann es nur bewältigt werden, wenn es den Subjekten gelingt, das Gefühl ziellosen inneren Dahintreibens, also die „drift“ zu überwinden.
Für wenig geeignet hält er die postmodernen Erzählungen. Er zitiert Salman Rushdie als Patchworkpropheten, für den das moderne Ich „ein schwankendes Bauwerk ist, das wir aus Fetzen, Dogmen, Kindheitsverletzungen, Zeitungsartikeln, Zufallsbemerkungen, alten Filmen, kleinen Siegen, Menschen, die wir hassen, und Menschen, die wir lieben, zusammensetzen“ (S. 181). Solche Narrationen stellen ideologische Reflexe und kein kritisches Begreifen dar, sie spiegeln „die Erfahrung der Zeit in der modernen Politökonomie“: „Ein nachgiebiges Ich, eine Collage aus Fragmenten, die sich ständig wandelt, sich immer neuen Erfahrungen öffnet - das sind die psychologischen Bedingungen, die der kurzfristigen, ungesicherten Arbeitserfahrung, flexiblen Institutionen, ständigen Risiken entsprechen“ (S. 182).
Für Sennett befindet sich eine so bestimmte „Psyche in einem Zustand endlosen Werdens - ein Selbst, das sich nie vollendet“ und für ihn folgt daraus, dass es „unter diesen Umständen keine zusammenhängende Lebensgeschichte geben (kann), keinen klärenden Moment, der das ganze erleuchtet“ (ebd.). Daraus folgt dann auch eine heftige Kritik an postmodernen Narrationen:
„Aber wenn man glaubt, dass die ganze Lebensgeschichte nur aus einer willkürlichen Sammlung von Fragmenten besteht, lässt das wenig Möglichkeiten, das plötzliche Scheitern einer Karriere zu verstehen. Und es bleibt kein Spielraum dafür, die Schwere und den Schmerz des Scheiterns zu ermessen, wenn Scheitern nur ein weiterer Zufall ist“ (ebd.).


"Kommerzieller Narzissmus" und Wirtschaft: Fairness, Egoismus, Altruismus, Moralphilosophie und Empathie (Ernst Fehr, Jeremy Rifkin, Richard David Precht)

Der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und individueller seelischer Gesundheit ist m.E. viel stärker als es rein psycho-technologische Verfahren, wie es z.B. die Traumatherapie-Welle der Nuller-Jahre oder auch die (Kognitive) Verhaltenstherapie zeigt, wahrhaben wollen - diese wirken letztlich reaktionär, weil Missstände z.B. in Familien zudeckend und nicht-fokussierend, weil sie lediglich dem Individuum helfen mit erlittenem Leid besser leben zu können, anstatt die gesellschaftlichen Missstäne aufzuzeigen.

Oft nützt es mehr, wenn konkrete äussere Bedingungen verbessert werden als wenn nur inner-psychische Faktoren (wie z.B. die Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit) behandelt und gestärkt werden.

Hier ergibt sich eine Verbindung zu gesellschaftlichen Trends wie die Occupy-Bewegung oder die Piraten-Partei vor ein paar Jahren oder die aktuelle Minimalismus- und Décroissance/Downsizing-Bewegung der immer notwendiger werdenden Postwachstumsökonomie von z.B. Niko Paech.

Kollektiver Narzissmus - "Wahres Selbst" vs. "Falsches Selbst" - Narzisstisches Wetteifern in allen Lebensbereichen - Kommerz und FAKE bzw. Ich-Ideal

Weil ich in diesem Buch aufzeigen möchte wie stark und komplex Individuum und Kollektiv narzisstisch miteinander verzahnt sind, machen wir in diesem Kapitel wiederum einen Sprung ("Shift") von der individuellen auf die kollektive Ebene, um dieser Verschränktheit auch formal eine dialektische Form des Hin und Her bzw. unten nach oben und wieder zurück zu geben.

Wir leben in einer Zeit zunehmender seelischer Orientierungslosigkeit auf der einen Seite und zunehmendem materiellem Ueberfluss auf der anderen Seite. Die Werbung ist längst dazu übergegangen uns künstliche (weil wir biologisch gesehen hier im Westen längst gesättigt sind) Bedürfnisse einzureden und diese zur Schau zu stellen, sodass wir hier in Europa und in Nordamerika zunehmend einem vermeintlich materiellen Glück nachrennen, ohne zu merken, dass wir dadurch lediglich die grossen Konzerne und deren Aktionäre befriedigen, nicht aber unsere ureigenen meist nicht-materiellen (narzisstischen!) Wünsche erfüllen.
Doch die Zeiten ändern sich: Klimawandel und Weltwirtschaftskrisen verlagern das Bewusstsein von der individuellen "Bauchnabel"-Sicht der 80er und 90er Jahre auf eine kollektive, gesellschaftliche Ebene. Wie wir oben gelesen haben, postulieren Autoren wie Altmeyer gar eine Ablösung vom Narzisstischen Zeitalter (Lasch 1979). Ich bin da weit weniger optimistisch, ob wir die grassierende Werbeflut so bald hinter uns lassen können... mal sehen. Jedenfals sind die Dinge welche nun endlich in den Blick kommen sollten, andere, als uns die Werbung mit ihren geschickten Manipulationen einzureden versucht.

Die Wirtschaftseliten sind aber schlau genug uns immer wieder zu überzeugen, dass der materielle (man könnte polemisch auch sagen: kapitalistische) Weg schon der richtige sei, unsere ungestillte Sehnsucht nur daher rührt, dass wir noch nicht genug konsumiert hätten - und so dreht sich die Spirale des Wirtschafts-Wachstums immer weiter bis uns eines Tages der Planet abschütteln wird, weil er durchaus auch ohne uns desorientierten Menschen-Tiere kann. Dann übernehmen vielleicht irgendwelche Kakerlaken oder andere resistente und genügsame Lebewesen das Kommando auf diesem Planeten. Was klingt wie aus einem Horror-Roman, erscheint seit Tschernobyl und Fukushima bedrohlich nahe an unsere Lebenswirklichkeit herangerückt, selbst in der beschaulichen Schweiz.

"Hat ja alles gar nichts mit Psychologie und schon gar nicht mit Psychotherapie zu tun", werden Sie vielleicht sagen. Stimmt nicht ganz, denn die Zusammenhänge zwischen dem Weltgeschehen und uns selbst bzw. unseren Familien sind viel grösser als wir oft glauben. Es hat sich in meiner tagtäglichen psychotherapeutischen Arbeit mit den verschiedensten Menschen aus den verschiedensten kulturellen Hintergründen (u.a. Indien, China, Japan, Brasilien, USA, Australien, Skandinavien, Deutschland etc.) als sehr hifreich erwiesen, wenn solche politischen und historischen Fakten miteinbezogen werden in eine individuelle Psychotherapie; denn der Mensch lebt nicht im luftleeren Raum, sondern immer eingebettet in eine soziale (das ist bekannt und etabliert in der "Psycho-Szene") und eben auch in eine politische, kulturelle und historische Wirklichkeit, was unter Psychotherapeuten bisher weniger en Vogue zu sein schien...

Eine erste Sichtweise in einfachen Worten zum Zusammenhang von Narzissmus auf der Ebene der Objektbeziehungen (Beziehungen zwischen Menschan also) und dem Narzissmus auf der Ebene der Gesellschaft und seiner politischen, kommerziellen, künstlerischen etc. "Anwendung" bzw. "Ausschlachtung", eröffnet uns ein Vertreter der anthropologisch-existentiellen Pädagogik:

"Im Narzissmus tritt uns ein Störungsbild entgegen, das von der Problematik der Selbstfindung der Person bzw. der individuellen Selbstwertausbildung geprägt ist. Die Selbst-Werdung – kurz gesagt: die intime Ich-Findung und die Ausbildung eines Selbstwertes im Aussenbezug, ist ein grosses, lebenslanges Thema eines jeden Menschen. – Wer hat sich nicht schon mit diesen typischen Fragen konfrontiert gesehen wie: „Darf ich so sein, wie ich bin? Darf ich im Beruf, in der Partnerschaft, bei meinen Eltern ich sein?“
Dabei handelt es sich um ein Thema, das wir nicht nur mit uns allein ausmachen können. Das Thema der Selbstwerdung stellt uns unvermittelt vor eine Öffentlichkeit, hält uns den Spiegel der Gesellschaft vor. Das Thema des Narzissmus ist daher auch Thema jeder Kultur und Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft hat Normen, erlaubt mit offenen und subtilen Gesetzen, wie weit der einzelne das Recht hat, so zu sein und das zu tun, was er will. Sie fördert das, was ihr genehm ist, bestraft das andere. Es sind oft sehr versteckte Methoden, die da in die „Ueber-Ich-Bildung“ einfliessen. Eine starke Einflussgrösse ist z.B. der Trend, das, was derzeit „in“ ist, was unter Jugendlichen und Erwachsenen zählt bzw. geächtet wird. Die Offenheit im Umgang miteinander schreibt in einer Familie, in einer Schule usw. unsichtbare Gesetze fest, wie weit der einzelne gehen darf. Darf ich dem Kollegen beispielsweise sagen, dass ich mir Sorgen um ihn mache, weil er jeden Morgen einen Alkohol-Menthol-Geruch hat? Ist das ein verantwortungsvoller Umgang, oder wird damit bereits eine persönliche, intime Grenze überschritten?
Bestehen hier gesellschaftliche Tabus? Oder sind es persönliche Grenzen, Unsicherheiten, oder vielleicht Scham, gar Feigheit?
Es sei an dieser Stelle auf den Erziehungsstil unserer Zeit hingewiesen, der narzisstische Tendenzen stärkt. So wird beispielweise die Durchsetzungsfähigkeit der Jugendlichen und Kinder gefördert - und nicht mehr so wie früher die Bescheidenheit - sie ist heute keine „Zier“ mehr.
Es wird die Vorrangigkeit der individuellen Bedürfnisse vor dem Allgemeinwohl betont, die Bedeutung der Selbstverwirklichung, der Entfaltung des Eigenen, des Kreativen, der Wert des Besitzes usw.

Der Konflikt zwischen dem Ich und der Gemeinschaft ist unausweichlich mit dem Thema der Selbstwerdung verbunden. Denn für die Ich-Bildung ist einerseits eine Abgrenzung erforderlich, andererseits bedingen Ich und Gemeinschaft einander und sind nicht zu trennen. In der Folge steht das Narzissmus-Thema in der Spannung zwischen Intimität und Öffentlichkeit, zwischen Abgrenzung und Offensein, zwischen Ich und Du, zwischen wechselseitiger Angewiesenheit und gegenseitiger Behinderung. Diese Spannung wirft auch intime Ängste vor dem Bestehen-Können in der Gemeinschaft auf. „Wenn mich die anderen so sehen, wie ich bin – werde ich dann noch geliebt, geschätzt, geachtet? Kann ich mich lieben, wenn mich die anderen nicht lieben? – Wie weit muss ich mich den anderen anpassen?“
Quelle: Alfried Längle (2002). Die grandiose Einsamkeit - Narzissmus als anthropologisch-existentielles Phänomen

Um nebst der in diesem Kapitel zentralen Bedeutung des Kollektiven vs. dem Individuellen und deren Zusammenwirken und Auswirkungen im Unechten, im Kitsch etc., hier noch einmal die Unterscheidung in einen normalen und einen pathologischen Narzissmus:
Otto F. Kernberg (1978) versucht, den Begriff des normalen Narzissmus unter Rückgriff auf die beteiligten intrapsychischen Strukturen zu definieren. Eine solche strukturelle Konzeption hält er für besonders brauchbar für die Abgrenzung des normalen vom pathologischen Narzissmus. Er schreibt (S.358f.):
"Im Anschluß an Hartmann definiere ich den normalen Narzißmus als die libidinöse Besetzung des Selbst. Das Selbst ist eine intrapsychische Struktur, die sich aus mannigfachen Selbstrepräsentanzen mitsamt den damit verbundenen Affektdispositionen konstituiert. Selbstrepräsentanzen sind affektiv-kognitive Strukturen, die die Selbstwahrnehmung einer Person in ihren realen Interaktionen mit bedeutsamen Bezugspersonen und in ihren phantasierten Interaktionen mit inneren Repräsentanzen dieser anderen Personen, den sogenannten Objektrepräsentanzen, widerspiegelt. Das Selbst ist Bestandteil des Ichs, das daneben noch andere Strukturelemente enthält, nämlich die zuvor erwähnten Objektrepräsentanzen sowie Idealselbst- und Idealobjektvorstellungen auf verschiedenen Stufen der Depersonifikation, Abstraktion und Integration in allgemeine Ich-Ziele und Ich-Ideale. (...)
Obschon der normale Narzißmus die libidinöse Besetzung des Selbst widerspiegelt, so ist doch das Selbst eine Struktur, die sowohl libidinös wie aggressiv besetzte Anteile integriert. Einfach ausgedrückt: Integration guter und böser/schlechter Selbstimagines in ein realistisches Selbstkonzept, das die verschiedenen Teilrepräsentanzen vereinigt (und nicht dissoziiert hält) ist eine Vorbedingung für die libidinöse Besetzung eines normalen Selbst. Daraus erklärt sich auch das Paradox, dass die Integration von Liebe und Hass eine Voraussetzung der normalen Liebesfähigkeit ist. (...)
[Hier zeigt sich m.E. eine Parallele zu Benjamins Anerkennungs-Paradoxon, wo es um die Spannung von Symbiose (bei Kernberg "Liebe") und Autonomie ("Hass", Aggression, Abgrenzung) geht - die beiden Paradigmen "Objektbeziehungstheorie" zu der ich Kernberg zähle und "Relationale Psychoanalyse", zu der Jessica Banjemin zu zählen ist, scheinen aus dieser Sicht gar nicht so unversöhnlich, wie es oft dargestellt (z.B. bei Whitebook 2007).]

Fehlt ein integriertes Selbst, so spiegelt sich dies klinisch in widersprüchlichen, voneinander dissoziierten oder abgespaltenen Ichzuständen, die einander abwechseln, ohne je integriert zu werden, so daß das Individuum sich zwar an sein kohärentes Selbsterleben »erinnern« kann, aber nicht in der Lage ist, diese verschiedenen Selbsterfahrungsweisen miteinander zu integrieren. Daß ein integriertes Selbst fehlt, zeigt sich ferner in chronischen Gefühlen von Unwirklichkeit, Verwirrung, Leere oder allgemeinen Störungen des »Selbstgefühls« (Jacobson 1964) sowie in einer ausgeprägten Unfähigkeit, sich selbst realistisch als ganze Person wahrzunehmen.(...)
Edith Jacobson (1964) hat darauf aufmerksam gemacht, daß sich das normale »Selbstgefühl« aus dem Bewußtsein des Menschen von einem integrierten Selbst herleitet, während das Selbstwertgefühl von den libidinösen Besetzungen eines solchen integrierten Selbst abhängt.(...)
Eine weitere Struktur, die an der Regulation des Selbstwertgefühls beteiligt ist, das heißt als Quelle narzisstischer Zufuhr und libidinöser Besetzung des Selbst in Betracht kommt, ist die Welt innerer Objekte oder Objektrepräsentanzen, die in enger Beziehung zum integrierten Selbst stehen. Ich habe in einer früheren Arbeit auf die Schutzfunktion der Objektrepräsentanzen in Zeiten von Lebenskrisen und Objektverlust hingewiesen und vorgeschlagen, »Regression im Dienste des Ichs« auch als regressive Aktivierung früher innerer Objektbeziehungen zu verstehen... (...) Es sind im wesentlichen zwei Substrukturen des Ueber-Ichs an der Regulation des Selbstwertgefühls beteiligt. (...)
Die kritischen oder strafenden Aspekte des Ueber-Ichs regulieren das Selbstwertgefühl durch die vorwiegend »negative« Funktion der Kritik am Selbst. Die andere an der Regulation des Selbstwertgefühls beteiligte Substruktur des Ueber-Ichs ist das Ich-Ideal; es resultiert aus der Integration von Idealobjekt- und Idealselbstimagines, die von frühester Kindheit an ins Über-Ich introjiziert wurden, und es erhöht das Selbstwertgefühl, wenn das Selbst seinen Forderungen und Erwartungen entspricht. (...)
Was die mit dem Es verbundenen Strukturen anbelangt, so erhöht sich das Selbstwertgefühl, sobald grundlegenden Triebbedürfnissen entsprochen wird und sofern das Selbst in der Lage ist, in befriedigender Weise zwischen inneren Bedürfnissen und Anforderungen zu vermitteln. (...) Da die ursprünglichen Selbstrepräsentanzen stark durch Körpererfahrungen geprägt werden und die frühesten intrapsychischen Triebbefriedigungen eng mit der Wiederherstellung physiologischer Gleichgewichtszustände gekoppelt sind, beeinflussen körperliche Gesundheit und Krankheit in wesentlichem Maße das Gleichgewicht narzißtischer Besetzung.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß die libidinöse Besetzung des Selbst erhöht wird durch Liebe oder Befriedigung von Seiten äußerer Objekte, durch Erfolg in der Realität, verstärkte Harmonie zwischen Selbst und Überichstrukturen, Wiederbestätigung der Liebe innerer Objekte und durch direkte Triebbefriedigung und körperliche Gesundheit. (...)
Ein Selbst mit erhöhter lidibinöser Besetzung - sozusagen in Frieden und glücklich mit sich - ist auch in der Lage, äußere Objekte und ihre verinnerlichten Repräsentanzen stärker zu besetzen. Erhöht sich die narzisstische Besetzung, so wächst im allgemeinen zugleich auch die Fähigkeit, zu lieben und zu geben, Dankbarkeit zu empfinden und auszudrücken, Anteilnahme für andere aufzubringen, sexuelle Liebe, Sublimierung und Kreativität zu steigern. Da eine normale libidinöse Besetzung äußerer Objekte und ihrer inneren Repräsentanzen eng verknüpft ist mit der Bewältigung primitiver, voneinander dissoziierter oder abgespaltener Ausdrucksformen von Liebe und Hass gegenüber den Objekten, bestärkt jede Steigerung der libidinösen Selbst-Besetzung auch das Selbst in seiner »Güte« gegenüber den Objekten und festigt die Objektbindungen. Bildlich gesprochen: Das Aufladen der Batterie des Selbst bewirkt sekundär ein Nachladen der Batterie libidinöser Objektbesetzungen.


Narzisstisches Zeitalter (Dirk Revenstorf 2013)
Die Moderne und erst recht die Postmoderne sind als Zeitalter des Narzissmus charakterisiert worden. Die Frankfurter Schule mit Adorno, Marcuse, Horkheimer postulierte schon in den 1960er Jahren eine gesellschaftlich bedingte Zunahme des Narzissmus (vgl. Diamond 2006, zusamengefasst im Demokratie-Kapitel dieser Arbeit).
Durch den Zusammenbruch der familiären Autorität fehle dem Kind die erzieherische Reibungsfläche liebender und zugleich begrenzender Eltern, die zur Ausbildung reifer Ichfunktionen nötig sei. Das entspricht etwa dem, das was später von Kohut (1978) anderen als mangelhaft ausgebildetes Realselbst bezeichnet wurde (s.o.) mit schwacher Subjekt-Objekt Differenzierung, Bindungsunfähigkeit und destruktive Ueber-Ich/Ideal-Ich-Funktion.

Unsere derzeitige Glücks- und Erfolgskultur kommt einem narzisstischen Lebensgefühl entgegen. Seit der Aufklärung haben wir einen Anspruch auf Glück schon in dieser Welt und nicht erst im Jenseits und sind geradezu „Zum Glück verdammt“, wie Bruckner (2001) sagt.
Das bedeutet, dass wir es auf alle Fälle schaffen und zeigen müssen glücklich zu sein, sonst sind wir Versager. Dann ernten wir neben dem Frust des Misserfolgs auch noch die Scham und die Verachtung der Mitmenschen.
Glücklich kann man auf vielen Wegen werden: durch Reichtum, Ruhm, eine erfüllte Mission u.a. Die Liebe, d.h. auch das geliebt werden und der Sex, scheinen der Spitzenreiter zu sein, wo die Anerkennung am direktesten unter die Haut geht und den Selbstwert kräftig aufpeppt, die stärkste Erregung verschafft und die einem einfach zuzufallen scheint.

Zusammengefasst: Von einem narzisstischen Zeitalter kann insofern die Rede sein, als dass starkes Autonomiebedürfnis, Nichteinlassung in tiefe Beziehungen, exhibitionistische Selbstdarstellung, unempathische Gewaltdarstellung zu Unterhaltungszwecken, Idealisierung von Medienfiguren und innere Leere überdeckt durch rücksichtloses Erfolgsstreben, gierige Ansprüchlichkeit, Nutzung von Sex als Konsum, durchaus als Merkmale postmodernen Zeitgeistes gesehen werden können und allesamt Züge einer narzisstischen Persönlichkeit sind.


Götz Eisenberg - Der Narzissmus als sozialpsychologische Signatur des konsumistischen Zeitalters

Nach mir die Sintflut, scheint zum Motto einer Gesellschaft zu werden, die Solidarität, Rücksichtnahme und gegenseitige Hilfe diskreditiert und ganz auf die Karte individueller Nutzenmaximierung setzt. Das Konsumdenken führt dazu, dass die Menschen sich untereinander als Produkte wahrnehmen und auch so behandeln.
In Namen des Primats des Konsums bricht sich ein grenzenloser Individualismus Bahn, der nur noch das Recht des Dschungels kennt. Das Wirken des darwinistischen Prinzips in der entfesselten Konkurrenzgesellschaft kann folgende Geschichte illustrieren: Zwei Jungen begegnen irgendwo in den amerikanischen Wäldern einem aggressiven Grizzlybären. Während der eine in Panik gerät, setzt sich der andere seelenruhig hin und zieht sich seine Turnschuhe an. Da sagt der in Panik Geratene: „Bist du verrückt? Niemals werden wir schneller laufen können als der Grizzlybär.“ Und sein Freund entgegnet ihm: „Du hast Recht. Aber ich muss nur schneller laufen können als du.“

„Spass zu haben“ wird zum kategorischen Imperativ, der „Tanz ums goldene Selbst“ zum Lebensinhalt. Der von den zeitgenössischen Menschen befragte Spiegel antwortet mit Aufforderungen wie diesen: „Nimm dich nicht einfach so hin, mach etwas aus dir, verschönere dich! Du bist selbst verantwortlich für das, was du dort siehst. Benutze Kosmetikprodukte, lass dich operieren, geh ins Fitnessstudio!“ Der Körper wird nicht mehr als etwas akzeptiert, mit dem die Natur uns ausgestattet hat und mit dem wir uns zu arrangieren haben, sondern gilt als eine Art Rohstoff, aus dem etwas zu formen ist, das sich im Einklang mit gesellschaftlichen Schönheitsidealen und Erwartungen befindet. Den entscheidenden Wert, der heute produziert wird, hat Gernot Böhme den „Inszenierungswert“ genannt: Die Ware enthält zusätzlichen Wert durch den Beitrag, den sie zur Inszenierung und Steigerung dessen erbringt, was man – euphemistisch genug - Leben nennt.
aus: Götz Eisenberg: "Unterm Strich zähl‘ ich" - Online in: magazin-auswege.de – 15.2.2012

(...)

„Germany's Next Topmodel“ ist eine perverse, niederträchtige, menschenverachtende Geldmaschine, die kapitalistische Krönung von Sexismus und Neoliberalismus in Form von Frauendressur mit Product Placement, und eine überraschungsarme Aneinanderreihung von Erniedrigungen, bei der junge Menschen dafür ausgezeichnet werden, dass sie geile Gene haben und sich den Regeln der Jury unterwerfen, weil man als Model halt auch einfach mal machen muss, was der Kunde will.

Kollektive Falschheiten: "Tertiärer" (?) Narzissmus und/oder Ich-Ideal bzw. Ideal-Selbst?

Nachdem die elementaren Bedürfnisse befriedigt sind, setzt der Kapitalismus auf Bedürfnisse, die durch ihre Befriedigung nicht zur Ruhe kommen, sondern vielmehr gesteigert werden. „Der Trick ist“, sagt Zygmunt Bauman, „eine Sehnsucht zu wecken, die sich fortwährend nach neuen Sehnsüchten sehnt.“ Es sind dies Sehnsüchte und Bedürfnisse nach Ausstattung des Lebens, Sichtbarkeit, Sich-Unterscheiden, Sich-Spüren und Intensität. Dabei werden sich die Menschen in ihrem rastlosen Bemühen, sich zu unterscheiden, immer ähnlicher. Der Distinktionsgewinn, den mir der Kauf eines bestimmten Produkts verschafft, schwindet in dem Mass, wie dieses Produkt zur Massenware wird. Der Selbstwert wird von einem inneren Zustand und einer autonomen Leistung des Subjekts mehr und mehr zu einem Akt der Staffage. Gefühle der Leere, des Versagens und der Langeweile sollen durch immer neue synthetische Kicks und Einkäufe vertrieben werden. Zahlreiche Zeitgenossen erleben den Konsum als narzisstische Zufuhr und Steigerung ihres Wohlbefindens, das Shopping wird für sie zur Lebensform und zum Garant des inneren Gleichgewichts. Das „Sich-etwas-Gönnen“ wird als Entschädigung für ungelebtes Leben und Prämie auf das reibungslose Funktionieren in Alltag und Beruf akzeptiert (vgl. Konsumreduktion, Paech im Kapitel X).

Bei der Wahl der Selbstwertprothesen gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den gesellschaftlichen Schichten und Klassen. Autos, Hunde, Goldketten, Uhren und Waffen sind das Viagra des Stolzes der männlichen Unterschicht. Als Hülle eines fragilen männlichen Selbst dienen getunte Autos und ein antrainierter und mit hohem Aufwand in Form gehaltener Muskelpanzer.
Frauen benutzen zum Aufmöbeln ihres Selbstwertgefühls Friseurtermine, Besuche bei der Kosmetikerin, schönheitschirurgische Eingriffe und exzessives Shopping, wobei Parfüm, Klamotten, Schuhe, Handtaschen privilegierte Objekte des Begehrens sind.

In den höheren Einkommensstufen werden die Autos exklusiver, der demonstrative Konsum und die Wohnungseinrichtung aufwendiger und luxuriöser. Die psychische Funktion ist aber überall die gleiche: Ein schwaches Selbst geht an den Krücken eines identitätsstiftenden Konsums und um ihn kreisender Inszenierungen. Der Konsum bildet in all seinen Facetten den libidinösen Kitt der Gesellschaft und das zentrale Medium der sozialen Integration.
Eine Abstraktion wie „die Gesellschaft“ kann nicht wirklich zum Gegenstand libidinöser Besetzung werden, sehr wohl aber die oben genannten Gegenstände und Apparate. Der späte Kapitalismus hat das Kunststück fertig gebracht, dass die Menschen die Funktionsimperative des Konsumismus als intimste ihrer Leidenschaften erleben. Diese enge Verzahnung von menschlichen Selbstkonzepten und Triebbedürfnissen mit den Erfordernissen und Funktionsweisen des herrschenden Systems ist die Lösung des Rätsels der heutigen Gestalt der „freiwilligen Knechtschaft“ (Étienne de La Boétie) und die Antwort auf die Frage, warum die Masse der Menschen die bestehenden Verhältnisse akzeptiert und tagtäglich mehr oder weniger engagiert an ihrer Reproduktion und Aufrechterhaltung arbeitet.
aus: magazin-auswege.de – 15.2.2012 „Unterm Strich zähl‘

Literatur und Links:
Eisenberg, Götz (2011). Im Glanz des Kamera-Auges, in: Der Freitag vom 19. Mai 2011 und im Magazin "Auswege"

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Beispiele und Belege für das Wirken eines Kollektiven Narzissmus

Narzissmus und Konsum - ein perfektes Paar

Nachdem wir nun die theoretischen und konzeptuellen Grundlagen zur These des kollektiven Narzissmus breit erörtert haben, folgen nun zahlreiche Beispiele und Belege. Wir beginnen die Reise mit den visuellen Reizen des Privatfernsehens...

Martin Altmeyer: „Video(r) ergo sum (Ich werde gesehen, also bin ich)“

„Gilt für die gläubige Teilnehmergemeinde der neuen interaktiven TV-Formate immer noch, was Adorno und Horkheimer (1949) in ihrer ‚Dialektik der Aufklärung‘ der Kulturindustrie einmal vorhielten, dass sie nämlich‚ihre Konsumenten um das (betrügt), was sie ihnen immerwährend verspricht’? Sind sie nicht doch das Subjekt einer medialen Veranstaltung, die sie zwar zum Objekt macht, aber gerade dadurch der Namenlosigkeit entreisst und ihnen zur Existenz verhilft - das „neue“ Subjekt eben, das im Auge der Kamera entsteht? Videor ergo sum!“ Mit dieser offenen Frage habe ich einen Beitrag beendet (Altmeyer 2001), der sich mit Inszenierungen von Identität in der Postmoderne befasst. Die dort angestellten Überlegungen, die von einer Analyse der überaus erfolgreichen Reality-soap Big Brother ausgegangen sind, nehme ich heute wieder auf und führe sie einerseits zeitdiagnostisch, andererseits metapsychologisch weiter. (aus: Altmeyer: „Video(r) ergo sum (Ich werde gesehen, also bin ich)“ Vortrag im Rahmen der 52. Lindauer Psychotherapiewochen 2002 - www.Lptw.de)

Warum aber haben wir das Gefühl, dass der öffentlich demonstrierten Verbindung über das mobile Telephon etwas penetrant Narzisstisches anhaftet? Wie kommt es, dass wir die liebevoll gestaltete "Homepage", die auf den interessierten Betrachter im Internet zielt, gleichwohl mit dem Narzissmus assoziieren? Die Vorführung intimster Details des Privaten in den interaktiven Formaten des entfesselten Fernsehens, hat sie nicht eine narzisstische Funktion? Das sehnliche Warten auf den klingenden Anruf in der überfüllten S-Bahn, das genüssliche Registrieren der Besucher auf dem Computer-Zählwerk der eigenen Web-site, die selbstgefällige Präsentation vor dem Auge der Kamera – all diese lebensweltlichen Kapriolen des zeitgenössischen Alltags weisen darauf hin, dass der betrachtende Andere bei diesen Verrichtungen eine wichtige Rolle spielt."

Solche Formate – das wäre meine Vermutung - erhalten deshalb diesen Zulauf, weil sie einfachen Menschen Gelegenheit geben, sich zu zeigen und aus der Anonymität ihres trostlosen Alltags aufzutauchen: In der Spiegelung durch das Medium erhalten sie so etwas wie Identität. Nach dem gleichen reflexiven Prinzip funktionieren die Talk-shows am Nachmittag, Der namenlose Gast verwandelt sich in eine Person, weil andere ihm bei der Schilderung seiner traurigen Lebensgeschichte, seiner neurotischen Wut auf die unfähigen Eltern, seinem eifersüchtigen Hass auf die gemeine Schwester oder seiner masslosen Enttäuschung über die untreue Freundin zuhören. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, ob es Beifall gibt, Gelächter oder Buh-Rufe – Hauptsache, man steht für eine Weile im Rampenlicht. Im Kern geht es um das Gesehen- und Gehört-werden - und es geht um das Gefühl der Anerkennung, die damit verbunden ist.

Die inzwischen grassierenden Quiz-, Casting- oder Therapie-Shows bedienen das gleiche Massenbedürfnis. Der mediale Narzissmus, früher den Reichen, den Schönen und den Bedeutenden vorbehalten, hat in diesen interaktiven Formaten des Fernsehens seine sozialen Schranken geöffnet und lädt die ehemals Ausgegrenzten ein, am reflexiven Kampf um die Ressource Prominenz teilzuhaben. Die Underdogs haben die Botschaft der Postmoderne verstanden: Wer etwas werden will, muss sich in die Kamera drängen und von ihr beachtet werden. Die Leute bräuchten "den Blick der Kamera als Beweis für ihre Existenz" – so hat der slowenische Zeitgeistdiagnostiker Slavoj Zizek (2000) diesen subjektkonstituierenden Charakter des Fernsehens in einem Zeitungsbeitrag unter der Ueberschrift: "Die Kamera liebt dich!" einmal benannt.



Liebe und Mitgefühl in Zeiten des Kapitalismus

Eva Illouz: "Die kritische Analyse der Widersprüche romantischer Liebe im postmodernen Kapitalismus, die Illouz in Büchern wie "Warum Liebe weh tut" und "Konsum der Romantik" geleistet hat, ist bei Soziologen, Feuilletonisten und Theaterautoren wie René Pollesch auf viel Zuspruch gestossen.
Für Liebende sind ihre Thesen eher ernüchternd: Das Gefühl wahrer Liebe ist alles andere als natürlich und "authentisch", nämlich eine durch und durch kommerzielle Veranstaltung, die von ihren Akteuren professionelle Selbstinszenierungen und den Konsum von Waren und Dienstleistungen verlangt. Ein Date etwa kostet die Beteiligten manchmal viel Zeit und Geld (die Frau deutlich mehr als den Mann) für Kleidung, Körperpflege und andere Zurüstungen. Der "emotionale Kapitalismus" nötigt seine Subjekte zur warenförmigen Selbstoptimierung und lädt umgekehrt Konsumobjekte emotional und erotisch auf: So strukturiert die Logik von Tausch und Kauf, Investition und Profit Selbstbild und Stimmung des Individuums bis in seine privatesten Regungen und Räume." (aus: Martin Halter, Badische Zeitung, 10. Feb. 2014)



Neuropsychologische, sozialpsychologische, empirische Befunde zum Narzissmus

Narzissmus - Ich, ich, ich - von Adelheid Müller-Lissner

"Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein. Und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein." Es waren andere Zeiten, als sich dieser Vers in fast jedem Poesiealbum fand. Mädchen, die Supermodel werden wollen, sind damit schlecht beraten. Selbstsicherheit und ein starkes Streben nach Lob und Anerkennung, das sind die Ingredienzien, die heute Karrieren befördern.
Doch nimmt der Narzissmus wirklich zu, nur weil kaum einer mehr „bescheiden, sittsam und rein“ sein will, sondern lieber am Zaun des Kanzleramtes rüttelt? „Der Narzisst begegnet uns immer häufiger, manchmal sogar im eigenen Spiegelbild“, behauptet der österreichische Psychiater Reinhard Haller in seinem Buch „Die Narzissmusfalle“.
Keine ganz neue Warnung, die der Chefarzt einer Klinik für Abhängigkeitskranke ausspricht. Schon im Jahr 1979 rief der amerikanische Historiker Christopher Lasch „Das Zeitalter des Narzissmus“ aus.
Empirisch untermauert hat dies die Psychologin Jean Twenge von der Staatlichen Universität in San Diego. Sie testete zehntausende Studenten, um deren Grad der Selbstverliebtheit zu ermitteln. 1985 hatte jeder Siebte erhöhte Werte, 2006 war es schon jeder Vierte. Besonders die jungen Frauen, bisher im Bereich narzisstische Persönlichkeitsstörungen unterrepräsentiert, holten im Lauf der Jahre auf. „Generation Me“ nannte sie das.

TV-Showmaster sind die grössten Diven
Die Medien machen es den Jugendlichen vor. Die amerikanischen Psychologen Mark Young und Drew Pinsky, in Los Angeles Nachbarn der Schönen und Reichen, untersuchten Prominente mit dem „Narcissism Personality Inventory“. In der im Jahr 2006 veröffentlichten Studie stellten sie fest, dass Prominente wesentlich höhere Werte erreichten als Studenten oder der Durchschnitt der Bevölkerung. Die grössten Diven waren dabei TV-Showmaster. Sie waren deutlich selbstverliebter als Schauspieler und Musiker. Glaubt man Twenge, dann könnten die Jugendlichen bald nachziehen: So berichtet sie von einer Schülerin, die an ihrem 16. Geburtstag über einen roten Teppich schreiten wollte. Deshalb sollte für sie eine Hauptstrasse gesperrt werden.
Der Sozialpsychologe Hans-Werner Bierhoff von der Universität Bochum, zusammen mit Michael Jürgen Herner Autor des Buches „Narzissmus – die Wiederkehr“, nennt das Beispiel einer 17-Jährigen, die selbstbewusst und offen davon spricht, ein „Superstar“ werden zu wollen. Der Narzisst passt sich seiner Ansicht nach „perfekt dem kulturellen Klima des Individualismus an, indem er anderen Menschen durch einen überzeugenden Auftritt auf der Bühne des Lebens imponiert“. Da die Bindungskraft sozialer Normen in den letzten 50 Jahren in den westlichen Kulturen abgenommen habe, könne sich dieser aggressive Narzissmus gut behaupten, so seine These.
Dabei ist die Geschichte von der Selbstverliebtheit junger, schöner Menschen ein Klassiker. Am Anfang steht Narziss, der Jüngling aus der griechischen Mythologie, der sich in sein eigenes, im Wasser gespiegeltes Bild verliebte. Er konnte es nicht erreichen und ging daran zugrunde. Später verhalf Sigmund Freud dem selbstzentrierten Knaben zu grösserer Popularität: In seiner Schrift „Zur Einführung des Narzissmus“ sprach Freud 1914 vom normalen „primären“ Narzissmus des Kleinkinds, der später – in Erinnerung an die seligen Zeiten, in denen der Mensch „sein eigenes Ideal war“ – in krankhafter Weise reaktiviert werden könne [als "sekundärer Narzissmus", M.F., s.o.].

Ueber die Ursachen der Störung wird seit langem debattiert:
Aber wo beginnt die Krankheit? Im Diagnosehandbuch der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) taucht die in der Psychoanalyse bedeutsame Vokabel „narzisstisch“ nur am Rande eines Kapitels auf. Unter „sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen“ wird sie neben „exzentrisch“, „haltlos“, „passiv-aggressiv“ und „psychoneurotisch“ genannt. Im Diagnosehandbuch der amerikanischen Psychiater (DSM-5) ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung dagegen ausdrücklich aufgeführt. Erkennbar sei sie an: übertriebenem Selbstwertgefühl, ständigem Verlangen nach Bewunderung, Mangel an Einfühlungsvermögen und arrogantem, überheblichen Verhalten.
Unumstritten ist das nicht. Als das Kompendium überarbeitet wurde, plädierten etliche Psychiater für eine Streichung. Auch über die Ursachen wird seit langem debattiert. „Die Theorien gehen weit auseinander, es ist eine ausgesprochen ideologische Diskussion“, sagt Stefan Röpke, der an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Persönlichkeitsstörungen erforscht.
Die einen gehen davon aus, dass mit den körpereigenen Mechanismen zur Selbstregulation etwas nicht stimmt, wenn Menschen ununterbrochen Anerkennung brauchen und die eigene Person grandios überhöhen. Die anderen sehen diese Menschen vor allem als Opfer grenzenloser elterlicher Bewunderung oder aber erzieherischer Vernachlässigung [vgl. u.a. Alice Miller (1979). "Das Drama des begabten Kindes"]. Röpkes Arbeitsgruppe erforscht unter anderem die Ost-West-Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen.

Die Spuren sind im Gehirn zu sehen
Die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik in China interessieren die Wissenschaft inzwischen ebenfalls: Lisa Cameron von der australischen Monash-Universität zum Beispiel untersuchte erwachsene Pekinger, die als „kleine Kaiser“ aufgewachsen waren. Die Einzelkinder waren unter anderem empfindlicher und weniger kooperativ, schrieb sie in „Science“. „Es spricht einiges dafür, dass selbstverliebtes, andere abwertendes Verhalten Heranwachsenden eher in solchen Gesellschaften antrainiert wird, die sich bemühen, aus jedem Einzelnen ein Maximum herauszuholen“, resümiert auch Röpke.
Die Grenzen zwischen gesunder Selbstdarstellung, wünschenswertem Individualismus und unangenehmer Ichzentriertheit sind fliessend. Auch wenn die Mitmenschen angesichts des übermässig zur Schau gestellten Egos und der unverhohlenen Arroganz eines Kollegen stöhnen: In niedrigerer Dosierung ist sie eine Ressource; ein Motor, der grosse gesellschaftliche Leistungen ermöglicht. Eine behandlungsbedürftige seelische Störung wird erst daraus, wenn der Betroffene selbst darunter leidet. „Das ist ein reales Problem, mit dem wir ständig konfrontiert sind“, berichtet Röpke.
Die Spuren sind auch im Gehirn zu sehen: Röpke und seine Kollegen haben 17 Patienten, die nach den amerikanischen Kriterien eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, in einen Magnetresonanztomographen (MRT) gebeten. Ein Vergleich mit den Gehirnen von 17 gleich alten, gesunden Probanden sollte ihnen zeigen, ob es charakteristische Unterschiede gibt. Tatsächlich war bei Patienten mit pathologischem Narzissmus die graue Substanz der Inselregion – ein Areal der Grosshirnrinde, das bei der Erzeugung und Verarbeitung von Mitgefühl beteiligt ist – deutlich dünner, schrieben sie im Fachblatt „Journal of Psychiatric Research“. Damit haben die Forscher erstmals eine neurobiologische Entsprechung für die umstrittene Diagnose gefunden. Ein Meilenstein.

Die emotionale Verbundenheit mit Hilfsbedürftigen fehlt
Der „Hirnscanner“ ist damit nicht zum Routine-Instrument für die Diagnostik geworden, psychologische Tests bleiben unverzichtbar. Und keiner kann sagen, ob die anatomische Auffälligkeit die Ursache der Persönlichkeitsstörung ist, die Menschen im Extremfall zu Psychopathen machen kann, oder ob sie sich im Laufe des Lebens – durch Erziehung und Lebenserfahrung – entwickelt.
Sicher sind zwei andere Dinge: Der Ort der Ausdünnung passt zum Symptom „Mangel an Empathie“. Dieses Defizit haben Röpke und seine Arbeitsgruppe zwei Jahre zuvor bei 47 narzisstischen Patienten in Tests gefunden. Wenn sie auf Bilder und Filmclips reagieren sollten, zeigten sie im Vergleich mit einer Kontrollgruppe deutlich weniger Mitgefühl; gleichzeitig überschätzten sie ihre eigenen Fähigkeiten. Im Gegensatz zu Patienten mit anderen psychischen Störungen hatten sie allerdings keine Schwierigkeiten, eine eher kognitive, emotional distanziertere Form von Empathie aufzubringen [vgl. auch das Psychopathie-Kapitel, M.F.]. Was fehlte, war die emotionale Verbundenheit mit leidenden, hilfsbedürftigen Mitmenschen, die als Voraussetzung für altruistisches Engagement gilt.
Stattdessen können „die Anderen“ für Menschen mit einer ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstörung die Hölle sein: „Sie sind extrem leicht kränkbar. Und sie gehen oft davon aus, dass sie andere beneiden“, sagt Röpke. Sozialpsychologe Bierhoff spricht von den „zwei Gesichtern“ des Narzissten, dem grossartigen und dem verunsicherten.

Hinter einem „Burn-out“ kann Narzissmus stecken
Nicht zuletzt im Beruf ist das problematisch. Bei vielen Patienten, die wegen eines berufsbedingten „Burn-outs“ in die Ambulanz oder Tagesklinik kommen, sieht Iris Hauth, Chefärztin der Psychiatrie im St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Weissensee, „Defizite im Selbstwertkonzept, die auf eine narzisstische Problematik hindeuten“.
Viele sind gleichzeitig abhängig oder leiden unter Depressionen und sind deshalb in Behandlung.

Diese Menschen passen eigentlich wunderbar in die moderne Berufswelt. Schliesslich sind sie bereit, viel zu leisten, perfekte Arbeit abzuliefern und grosse Verantwortung zu tragen. Kein Wunder, dass sie oft Führungspositionen übernehmen. „Die Parallele zwischen Narzissten und machtorientierten Menschen ist deutlich. Beide beanspruchen für sich Privilegien und halten eine Bevorzugung ihrer Person für das Natürlichste der Welt“, sagt Bierhoff. Aber wo die Anforderungen von aussen wachsen, mit Lob gegeizt wird und womöglich auch noch die Kräfte altersbedingt abnehmen, kann dieses überfordernde Selbstkonzept auch krank machen.

Auch Forscher geraten ins Schwelgen
Dass ihr „Ausgebranntsein“ zumindest teilweise einer Persönlichkeitsstörung entspringt, höre keiner gern, sagt Hauth. „Das geht an den Kern der Person. Doch man kann es erklären, so dass es akzeptiert wird.“ Und man kann daran arbeiten. Eine kognitive Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie kann die Patienten bestärken, Selbstsicherheit nicht von pausenloser Leistung und andauernder Überlegenheit gegenüber anderen abhängig zu machen. Denn anscheinend stimmt, was der Psychoanalytiker Erich Fromm 1956 in seinem Kultbuch „Die Kunst des Liebens“ festgehalten hat: „Der selbstsüchtige Mensch liebt sich nicht zu viel, sondern zu wenig.“
Das klingt paradox, passt aber zum verwirrenden Bild der narzisstischen Symptome, das von der Ueberzeugung der eigenen Grandiosität bis zum brüchigen Selbstwertgefühl reicht. Für Haller ist der Narzissmus „das wahrscheinlich interessanteste, vielseitigste und schillerndste psychische Phänomen“. Ausgerechnet der Narzissmus wird so für manche Fachleute zur „stolzen Rose“ in der Landschaft der menschlichen Seele – bewundert, aber schwer zu greifen. Im Narzissmus sei etwas Grenzenloses angelegt, meint auch Bierhoff. Als Wissenschaftler und Buchautor habe er sich deshalb bewusst selbst Grenzen gesteckt. Sicher eine kluge Maxime, denn für empirische Wissenschaftler bleibt die Bescheidenheit des „Veilchens im Moose“ eine Zier.



Zurück zum Kerngeschäft, im wörtlichen Sinne - jetzt gehts um Geld, Reichtum, Macht und Manipulation:
Wie schon im Narzissmus-Kapitel möchte ich am Ende dieses Kapitels auf die Extremformen des Narzissmus zu sprechen kommen - diesmal geht es um die kollektive Ebene, um die Fragen welche bereits bei Diana Diamonds Zusammenfassung weiter oben angeklungen sind. Bevor wir zu den Diktatoren und Potentaten kommen, ein Einschub zur speziellen Problematik in der Psychotherapie mit Menschen welche Kraft ihres Status und ihres Reichtums einige der sonst üblichen psychologischen Mechanismen aushebeln können:

Hans-Jürgen Wirth (2006) - Die psychotherapeutische Behandlung der Reichen und der Mächtigen

In einer Studie über »Die psychoanalytische Behandlung der Reichen und der Mächtigen« hat Johannes Cremerius (1979) eine Antwort auf die Frage gesucht, b>warum »Patienten in hohen politischen und wirtschaftlichen Machtpositionen sich nur ganz ausnahmsweise einer psychoanalytischen Behandlung unterziehen« (ebd S.12f). Er kommt zu dem Ergebnis, dass es den Reichen und Mächtigen aufgrund ihrer privilegierten Lage und ihres gesellschaftlichen Einflusses möglich ist, »ihre Neurosen derart in gesellschaftlich akzeptierten Formen« unterzubringen, dass sie nicht als krankhafte Störungen bemerkt werden, sodass sie nicht an ihnen leiden müssen.
Der Mächtige lebt seine neurotischen Bedürfnisse ungehindert in der Realität aus - anstatt Leidensdruck zu entwickeln, agiert er.

Als Paradebeispiel für diese Patientengruppe gilt die von Herrmann Argelander (1972) publizierte Fallstudie »Der Flieger« [vgl.Kap.10:Fallbeispiele].
Der Patient stammt aus wohlhabenden Kreisen und ist auch beruflich sehr erfolgreich. Er sucht psychotherapeutische Hilfe, weil er unter Kontaktstörungen leidet. In der psychoanalytischen Behandlung, die Argelander durchführt, zeigt sich die Narzisstische Persönlichkeitsstörung des Patienten, aufgrund derer er versucht, sich von menschlichen Beziehungen unabhängig zu machen. »Anstatt Liebe verschafft er sich Bewunderung und Erfolg bei anderen Menschen«, schreibt Cremerius (1979 S.26) mit Bezug auf den »Flieger«. Symbolisch für dessen narzisstische Form der Lebensbewältigung ist das Fliegen, das er als passionierter Sportflieger extensiv betreibt.

Ueber den Wolken, fern vom direkten Kontakt mit anderen Menschen und als Alleinherrscher über seine Maschine muss das Gefühl der Freiheit für diesen Patienten wohl grenzenlos sein [Reinhard Mey lässt grüssen]. Er phantasiert sich unabhängig und allen anderen überlegen. Trotz anfänglicher Fortschritte scheitert die Analyse dieses Mannes schließlich, da - wie Argelander schreibt - der Patient eine kontraphobische Reaktionsbildung entwickelt, die es ihm erlaubt, mit seinen Mitmenschen direkter und angstärmer umzugehen, allerdings um den Preis, dass diese nun vor ihm Angst haben, weil er sie einschüchtert. Cremerius (1979 S.29) kommentiert den Ausgang dieser Behandlung mit folgenden Worten:
»Der >Flieger< jedoch hat aufgrund der sozioökonomischen Sonderstellung die Möglichkeit, seine Neurose funktional so unterzubringen, dass sie ihm Gewinn bringt, ja, dass sie eine der wichtigen Voraussetzungen des Gewinns überhaupt wird - und zwar nicht im Sinne des sekundären Krankheitsgewinnes, der ja in der Regel nur noch ein Surrogat ist, sondern eines echten primären Gewinnes.
Ihm kann die Analyse keine unmittelbaren Vorteile versprechen - für ihn ist sie zunächst einmal mit Verlusten verbunden, und zwar mit realen Verlusten an Geld, Besitz, Macht. Was sie ihm für die Zukunft in Aussicht stellt, nämlich ein Mehr an menschlichen Kontakten, Liebesfähigkeit und Vertrauen, kann deshalb nicht als verlockend erlebt werden

Narzissmus, Macht und Destruktivität

Der Historiker Ludwig Quidde (1858-1941) veröffentlichte 1894 eine kleine Schrift (»Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn«), die im kaiserlichen Deutschland zu einer politischen Sensation wurde und in kurzer Zeit 30 Auflagen erlebte (vgl. Quidde 1977). Quidde zeichnete »im Gewände einer seriösen, durch Verweise auf die lateinischen Historiker gestützten Abhandlung über den römischen Kaiser« das Bild der Macht, das die Züge der Physiognomie Wilhelms II. trug, »der im Laufe seiner Regierungszeit gleichermaßen zum Gespött und zur Bedrohung ganz Europas wurde« (ebd S.3). Das Porträt, das Quidde von Caligula malte, erlaubt tiefe Einblicke in die Psychologie des Machtrausches: »Größenwahn, gesteigert bis zur Selbstvergötterung, Missachtung jeder gesetzlichen Schranke und aller Rechte fremder Individualitäten, ziel und sinnlose Grausamkeit« (ebd S.67) nennt er als die auffälligsten Symptome.
Des Weiteren registriert er die »unangemessene Prunk- und Verschwendungssucht, ein Charakterzug fast aller Fürsten, die das gesunde Urteil über die Grenzen ihrer eigenen Stellung verlieren« (ebd S.68), was sich »bei Festen, Mahlzeiten, und Geschenken, in Kleidung und Wohnung, (...) der Einrichtung seiner Paläste und Villen und der mit unsinnigem Luxus ausgestatteten Jachten, (...) in riesenhaften Bauten und Bauprojekten« (ebd S.69) zeige. Quidde sieht aber auch die Wechselwirkung zwischen der individuellen Pathologie des Herrschers, seiner »Ruhmessucht«, seiner »Zerstörungssucht« (ebd.), seinem »Heisshunger nach militärischen Triumphen« (ebd S.70) einerseits und dem Entgegenkommen der sozialen Situation andererseits, die in der Position der Macht und der Unterwürfigkeit der Untertanen begründet sei. Das Besondere des Cäsarenwahnsinns liege darin, »dass die Herrscherstellung den Keimen solcher Anlagen einen besonders fruchtbaren Boden bereitet und sie zu einer sonst kaum möglichen ungehinderten Entwicklung kommen lässt, die sich zugleich in einem Umfange, der sonst ganz ausgeschlossen ist, in grausige Taten umsetzen kann. (...) Der Eindruck einer scheinbar unbegrenzten Macht lässt den Monarchen alle Schranken der Rechtsordnung vergessen. (...) Die unterwürfige Verehrung aller derer, die sich an den Herrscher herandrängen, bringen ihm vollends die Vorstellung bei, ein über alle Menschen durch die Natur selbst erhobenes Wesen zu sein.« (ebd S.67)

Der bis zur Selbstvergötterung gesteigerte Narzissmus, die Vorstellung, gottgleich Herrscher über Leben und Tod zu sein, lieferte die psychische Grundlage für die »Missachtung jeder gesetzlichen Schranke und aller Rechte fremder Individualitäten«. Der Eindruck, eine göttliche Macht über Leben und Tod auszuüben, ließ die Vorstellung entstehen, »ein über alle Menschen d>als »Gotteskomplex« beschrieben hat. Der mörderische Sadismus entspringt nicht einer sexuellen Lust, sondern dem Bedürfnis, absolute Kontrolle über ein anderes lebendes Wesen zu erhalten.
Eng verknüpft mit dem Realitätsverlust der narzisstisch gestörten Führungspersönlichkeit ist ihre Abkehr von den Normen, Werten und Idealen, denen sie selbst und ihre Institution eigentlich verpflichtet sind. Der Verrat der kommunistischen Ideale durch die inzwischen gestürzten Despoten des real existierenden Sozialismus ist ein eindrucksvolles Beispiel für diese Tatsache. Beim Typus des paranoiden Führers steigern sich Skrupellosigkeit, Zynismus und Menschenverachtung in einem Ausmaß, dass sich eine Verfolgungsmentalität und ein Terrorsystem herausbilden. Dem paranoiden politischen Führer geht es im Gegensatz zum narzisstischen politischen Führer nicht darum, geliebt zu werden, »sondern er ist vielmehr sehr misstrauisch gegenüber denjenigen, die ihn zu mögen vorgeben, und er fühlt sich nur dann sicher, wenn er mit Hilfe von Angst die anderen omnipotent kontrollieren und unterwerfen kann« (Kernberg 2002 S.153).
Werden große gesellschaftliche, politische oder nationale Gruppierungen von einem paranoiden Anführer geleitet, entwickelt sich häufig eine politische Konstellation, in der reale Gefahren zum Beweis dafür werden, dass die paranoiden Feindbilder wirklich gerechtfertigt sind.




Vertreter der Kritischen Theorie, angefangen von Theodor Adorno, Max Horkheimer und der Frankfurter Schule, die sich im Deutschland vor und nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert hatte, bis hin zu Christopher Lasch, der für die Verbreitung der sozialphilosophischen Theorien in Nordamerika sorgte, sprechen von einer immer stärker um sich greifenden Selbstsucht und Entwurzelung in unserer Gesellschaft, was dazu führe, dass äusserer Schein mit anhaltender Kreativität und geistigem Engagement verwechselt werde, wie auch blinde Gefolgschaft gegenüber den Zwängen politischer und bürokratischer Organisationen mit individueller Moral sowie oberflächliche Kontakte mit genuiner Intimität. Es ist dies eine Entwicklung, die von den genannten Autoren (Adorno 1967/1968, Horkheimer/Adorno 1944, Lasch 1982) auf verschiedene gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen zurückgeführt wird, die ihrerseits auch einen Wandel innerhalb der Familienstruktur und des Sozialisationsprozesses mit einschliessen (vgl. auch den Anfang von Kap. 3):
zunehmende Bürokratisierung, die bis in die Sphäre des Privatlebens reicht und Eigeninitiative und Selbstfürsorge erstickt
Konsumbesessenheit und die Neigung, alles mit zu verändern, inklusive menschlicher Erfahrungen
Ueberflutung durch Medienbilder, die stereotype Darstellungen mit genuiner Individualität und menschlicher Komplexität verwechseln

Der zu beobachtende Anstieg an narzisstischen Verhaltensweisen wurde mit einer ganzen Reihe gesellschaftlicher Phänomene in Verbindung gebracht, die vom Fundamentalismus bis hin zur Gier der Wirtschaftskonzerne reichen. Firmenbosse, so ein Kommentar der »New York Times« vom Juli 2002, für die Imagepflege und Eigenwerbung noch vor dem Wohl der Firma oder der Gemeinschaft kommt, seien »narzisstisch umnebelt« und schrieben ihr falsches Machtempfinden und ihre Unbesiegbarkeit dem »Oekosystem des Narzissmus« zu, das den Firmenalltag durchziehe (Race 2002).
Formulierungen dieser Art sind insofern irreführend, als sie Gesellschaft und Individualpsychologie in einen Topf werfen. Die zentrale These meiner Ausführungen geht von der Reziprozität gesellschaftlicher und psychologischer Aspekte des Narzissmus aus, auch wenn beide klar voneinander unterscheidbar und nicht auf den jeweils anderen reduzierbar sind. Die Gesellschaft entfaltet ihren Einfluss im Individuum, das nach den jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen und Anforderungen geformt wird, in dem jedoch gleichzeitiggesellschaftliche Prozesse zu intrapsychischen Strukturen umgewandelt werden, die einer eigenen Sprache und Gesetzmässigkeit unterliegen (Adorno 1967; 1968; Horkheimer u. Adorno 1944). Die Instrumente der Gesellschaftstheorie können uns helfen zu verstehen, wie die Gesellschaft Individuum und entsprechende Charaktertypen konstituiert, doch erst das Instrumentarium der Psychoanalyse ermöglicht die Dekodierung dessen, wie sich Gesellschaft auf pathologische oder nichtpathologische Art und Weise in der individuellen Psyche niederschlägt.
Während es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen kulturellen Strömungen und Persönlichkeitsbildung gibt, resultiert die Charakterentwicklung stets aus einer starken Adaptierung kulturell unterfütterter Muster einerseits und Anforderungen der innerpsychischen Welt der Triebe, Affekte und Objektbeziehungen andererseits.
Narzisstische Charaktereigenschaften wie Selbstbezogenheit und Konventionalität mögen kulturell verstärkt sein, doch erst im Rahmen des pathologischen Narzissmus bekommen wir es mit einer Ueberschätzung und/oder sklavischen Anpassung an die jeweilige Kultur bzw. die Führer, die ihre Werte repräsentieren, zu tun.
Im Normalfall mögen infantil-narzisstische Strebungen, Intimität und Bezogenheit nebeneinander existieren und sich im Laufe der Entwicklung zu reiferen Formen transformieren. Im Falle des pathologischen Narzissmus jedoch prädisponiert die Aktivierung und Persistenz des infantilen Narzissmus zur Ueberschätzung einer narzisstischen Kultur, was zur gegenseitigen Verstärkung von Persönlichkeit und Kultur führt.

"Seit ihren Anfängen hat sich die Psychoanalyse mit den Verknüpfungen zwischen Individualpsychologie und gesellschaftlichen Entwicklungen sowie zwischen normaler Charakterstruktur und ihren pathologischen Ausformungen beschäftigt.
Der Gedanke eines Kontinuums, das von psychischer Gesundheit bis hin zu Abnormalität reicht, zum ersten Mal von Freud (1940) formuliert, rückte mit dem Auftauchen des Narzissmus als klinischem Konzept und gesellschaftlichem Phänomen wieder ins Zentrum psychoanalytischer Theoriebildung. Narzissmus, der das normale Bedürfnis nach Perfektion, Meisterung und Ganzheit ebenso in sich vereint wie pathologische Verzerrungen dieser Wünsche in Form von Grandiosität, rücksichtsloser Ausbeutung anderer und Rückzug auf Omnipotenz bzw. Verleugnung von Abhängigkeit, gilt als grundlegender Aspekt des menschlichen Erlebens, welcher unsere Geschichte und Kultur formt und wiederum von diesen geformt wird (Alford 1988).

Trotz der im Hinblick auf die Frage des Narzissmus gegebenen gegenseitigen Durchdringung von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie ist es doch wichtig festzuhalten, dass es sich dabei um unterschiedliche, wenngleich komplementäre Sichtweisen handelt.
Aus psychoanalytischer Sicht werden Narzissmus und seine Störungsbilder im Sinne der Selbstentwicklung und seiner Beziehung zu Objekten konzeptualisiert.
Demgegenüber bezieht sich Narzissmus als gesellschaftliches Phänomen auf die Entwicklung in Richtung einer Apotheose des Selbst in jeder Sphäre der gesellschaftlichen und kulturellen Existenz. Im Folgenden soll über eine kritische und integrative Auseinandersetzung mit den entsprechenden psychoanalytischen und gesellschaftstheoretischen Sichtweisen eine Annäherung an den Narzissmus als gesellschaftliches und psychologisches Phänomen versucht werden.
Im ersten Teil werde ich eine Auswahl an Narzissmus-Theorien und der entsprechenden Störungsbilder vorstellen, wie sie innerhalb der Psychoanalyse ausgearbeitet wurden, wobei ich mich auf das Werk von Freud, Klein und Rosenfeld, vor allem aber auf Kohut, Kernberg und Blatt konzentrieren werde, die sich in ihren klinischen Formulierungen um eine gesellschaftstheoretische Dimension bemüht haben. Im zweiten Teil möchte ich auf das Narzissmus-Konzept der Vertreter der Kritischen Theorie - Horkheimer, Adorno, Marcuse und Lasch - eingehen, die in ihren Gesellschaftsanalysen auf psychoanalytische Konzepte zurückgreifen.

(...)

Psychoanalytische Theoriebildung und kulturelle Strömungen


Die Tatsache, dass Narzissmus und Entwicklung des Selbst zu zentralen Schlüsselkonzepten psychoanalytischer Theoriebildung wurden, darf nicht nur als aktueller Trend innerhalb der Psychoanalyse verstanden, sondern muss in einen grösseren kulturellen Zusammenhang gesetzt werden, der wiederum Theoriebildung und Behandlungstechnik der Psychoanalyse beeinflusst. Kohuts Selbstpsychologie (vgl. Kap. 2) stünde so für die Schaffung einer Ideologie des Selbst, und zwar zu einem Zeitpunkt in der Geschichte, an dem wahre Individualität und mit ihr das Subjekt im Schwinden begriffen sind (Adorno 1968). Ein Selbst-loses Zeitalter führt zum ständigen Kreisen um das eigene Selbst.
Erstaunt über das immense »Selbst-Interesse« seiner Patienten, vermutet Bürsten (1973, S. 110) eine »mangelnde Selbst-Verständlichkeit«, was in eine permanente Suche nach »Selbst-Affirmation« münde. Wir müssen uns fragen, inwieweit dieser Trend innerhalb der Psychoanalyse, Störungen des Narzissmus und des Selbst mehr und mehr ins Blickfeld zu rücken, auf theoretischer Ebene nicht seinerseits kulturelle Prozesse und Muster widerspiegelt, die Lasch (1982) als das »Zeitalter des Narzissmus« beschrieben hat (s.o.).

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ANHANG:

10 Strategien der Manipulation – Gehirnwäsche nach Sylvain Timsit

Sylvain Timsit zeigt in seinem Text „10 Strategien der Manipulation” auf satirische Weise, wie eine Gesellschaft manipuliert werden kann, ohne dass eine kritische Masse an Menschen in dieser Gesellschaft dies realisiert.

1. Kehre die Aufmerksamkeit um
2. Erzeuge Probleme und liefere die Lösung
3. Stufe Änderungen ab
4. Aufschub von Änderungen
5. Sprich zur Masse, wie zu kleinen Kindern
6. Konzentriere dich auf Emotionen und nicht auf Reflexion
7. Versuche die Ignoranz der Gesellschaft aufrechtzuerhalten
8. Entfache in der Bevölkerung den Gedanken, dass sie durchschnittlich sei
9. Wandle Widerstand in das Gefühl schlechten Gewissens um
10. Lerne Menschen besser kennen, als sie sich selbst es tun

Edward Bernays (2011, 3te erw. Aufl.). Propaganda: Die Kunst der Public Relations

Edward Bernays (1891-1995) gilt als Vater der Public Relations. Mit seinem Buch Propaganda aus dem Jahr 1928 schuf er die bis heute gültige Grundlage für modernes Kommunikationsmanagement.
Der in Wien geborene Bernays war ein Neffe Sigmund Freuds, der sich dessen Erkenntnisse der modernen Seele zunutze machte und sie in den Dienst von Regierungen und Konzernen stellte. Propaganda ist Bernays Hauptwerk. In Propaganda (ein Begriff, den er später selbst in »Public Relations« umbenannte) beschreibt Bernays alle wesentlichen Techniken der Meinungsbeeinflussung wie z.B. den Einsatz von »neutralen Experten«, um eine Aussage glaubhaft erscheinen zu lassen. Für den US-Präsidenten Wilson promotete er den Ersten Weltkrieg, mit den »Fackeln der Freiheit« machte er Zigaretten zum Symbol der weiblichen Emanzipation und brachte die amerikanischen Frauen zum Rauchen.
Er arbeitete für Edison und Ford, aber auch für die CIA: Sie alle liessen sich von Bernays ihr Image aufpolieren oder die Marktchancen ihrer Produkte verbessern. Bernays steht in einer Reihe mit den Strategie-Klassikern Machiavelli und Clausewitz. Knapp 80 Jahre nach dem Erscheinen von Propaganda und knapp ein Jahrhundert nach Entstehen der PR-Industrie erscheint dieses Buch erstmals auf Deutsch.


Literatur und weitere Quellen zu Narzissmus und Gesellschaft:

Frank Schirrmacher (2013)
EGO: Das Spiel des Lebens - Homo oeconomicus 2.0 trifft Big Data!
Johannes Fischler (2013)
New Cage: Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt
Colin Goldner
Die Psycho-Szene. Guter Ueberblick über esoterische Angebote
Claudia Barth
ESOTERIK - Die Suche nach dem Selbst

zum kompletten Literaturverzeichnis

Blog - Leben im Falschen

Blog - Narzissmus und Entgrenzung

Blog - Narzissmus und Entgrenzung



Literaturverzeichnis zum "kollektiven Narzissmus"

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LITERATUR zu Narzissmus Kollektiv zu Individuell:
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  • Scheich, Günter (2001). Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen, Eichborn Verlag Frankfurt am Main.
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  • Sennett, Richard (1998). Der flexible Mensch - Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin Verlag Berlin.







    Blog zu "Narzissmus - Psychotherapie - Gesellschaft" auf blogspot.com
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