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Eine Synthese aus Narzissmus- und Bezogenheitskonzepten in Zeiten von Populismus und Kommerzialisierung
Materialien und Zitatesammlung zur Enstehung, Diagnostik und Behandlung von narzisstischen Spektrum-Störungen - zusammengestellt und kommentiert von Fachpsychotherapeut FSP Markus Frauchiger in CH-3012 Bern
Markus Frauchiger: CV, Lebenslauf und Vernetzung des Autors
Veröffentlichung und Reproduktion nur auf Anfrage beim Autor möglich - dies ist ein vorläufiges Arbeitspapier, welches kontinuierlich erweitert wird.
3. SELBST: Soziologische Dimensionen des Selbstwertes im "Zeitalter des Narzissmus"
TEIL I: Das Zeitalter des Narzissmus
- Erich Fromm - Die Furcht vor der Freiheit
- David Riesman - Innengeleiteter vs. aussengeleiteter Charakter
- R.D. Putnam - Bowling alone
- Herbert Marcuse - Der eindimensionale Mensch
- Christopher Lasch - Selbstwertkrise und Depression
- Richard Sennett - Tyrranei der Intimität
- Alain Ehrenberg - Das erschöpfte Selbst
- Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesellschaft
- Hartmut Rosa: Zeitalter der Beschleunigung
TEIL II: Soziale Pathologien
- Deutsche 'Leitkultur': von Arschloch bis Zugluft...
- Moderne: 'Die bürgerliche Mitte'
- Diana Diamond: 'Kritische Psychoanalyse'
- Ljiljana Radonic: Narzisstische Kränkung und Projektion als gesellschaftliche Phänomene
- Heiner Keupp: Vom Ringen um Identität in der spätmodernen Gesellschaft
- Kommerzieller Narzissmus und Wirtschaft: Fairness, Egoismus, Altruismus, Moralphilosophie und Empathie (Ernst Fehr, Jeremy Rifkin, Richard David Precht)
- Narzisstisches Wetteifern in allen Lebensbereichen: Kommerz und FAKE - Robert Misik, David Graeber, Negri/Hardt, Slavoj Zizek
- Götz Eisenberg - Der Narzissmus als sozialpsychologische Signatur des konsumistischen Zeitalters
Was der »Untertan« in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war, was der »Rebell« in den 60er Jahren war,
ist heute der »Narziss«: Ein Phänomen, welches das gesellschaftliche wie das wirtschaftliche Leben prägt.
In einer gesellschaftlichen Situation, in der Selbstdarstellung und Eigenmarketing offenbar zu den notwendigen Lebenskompetenzen gehören
, ist es unerlässlich über die psychischen Hintergründe aller Arten von Selbstinszenierungen Bescheid zu wissen.
(aus einem Coaching-Werbe-Flyer)
"Die Frage, ob eine analytische Kur gefährlich sein kann, lässt sich aus über hundertjähriger Erfahrung beantworten: Sie ist nicht gefährlich für den Analysanden, der aus ihr ein Wissen um seine Existenz gewinnen kann, das ihn in die Lage versetzt, freier und souveräner durchs Leben zu gehen; sie ist jedoch gefährlich für den Machtanspruch etablierter Autoritäten in Familie, Beruf oder Gesellschaft, deren Erwartungshaltungen nun besser hinterfragt und relativiert werden können. Es sind mithin die Zensoren des Denkens, denen die Analyse zur Gefahr wird.
Auch ausserhalb der analytischen Kur reflektiert Psychoanalyse die Modalitäten des Denkens. Freuds kulturtheoretische Arbeiten über Sexualität, Religion und Kultur sind hierfür berüchtigt. AnalytikerInnen nach Freud setzten diese Tradition fort und mischten sich in die gesellschaftlichen Debatten ihrer Zeit ein. Bis heute – mit dem Unterschied, dass ihre Leistungen ausserhalb der Psychoanalyse kaum wahrgenommen werden. Während etwa die Philosophie oder die Hirnforschung fester Bestandteil der öffentlichen Debatten ist, fällt die Aussenhandelsbilanz der Psychoanalyse leider mager aus.
Quelle: www.wunder-blog.de/2015/01/05/die-gefahren-der-psychoanalyse
Ich postuliere als Fallstricke und "Gegner" einer freien Entfaltung des "Nicht-Narzisstischen", des Echten, des 'Wahren', des "inneren Selbst", nebst dem "Visuellen oder digitalen Narzissmus" (vgl.Kap.2) den seit den 90er Jahren grassierenden Turbo-Kapitalismus in seiner Ausprägung als Neoliberalismus und einer alles und jeden einnehmenden kommerzialisierten Wirtschaft, welche die Demokratie als Idee und Institution in ihren Grundfesten bedroht, uns alle ermüdet und potentiell depressiv macht (Byung-Chul Han) und einer "Postdemokratie" (Crouch: Rückfall in eine mittelalterliche, ständische Ordnung der Oligarchen und "Könige") den Weg ebnet.
Das Jahr 1989 ("Wende") hat dabei eine Scharnier-Funktion, weil ab da das vorher vorhandene labile 'Gleichgewicht der Kräfte' in Richtung Konkurrenz, Kapital und Narzissmus gestört wurde und immer noch wird.
Eine Gesundung, d.h. hier: Gleichgewicht zwischen Narzissmus und Selbst findend, des Einzelnen bedingt demnach auch eine Normalisierung der kapitalistischen Wirtschaftspolitik in ein erträgliches und menschliches Mass, wo Regulationen (u.a. (Grund-)Gesetze) und Relationen (Begegnungen zwischen den Menschen und Dingen) sowie Ethik und Moral (das sind demokratisch auszuhandelnde Werte) wieder eine grössere Rolle spielen.
SOZIOLOGIE: Eine Emanzipationsgeschichte
Da die Leitdisziplin dieses Kapitels die weit verästelte Soziologie, oder besser: die Soziologien, sind unter deren kundigen Blicken wir unsere Haupt-Themen "Wiederkehr des Imaginären bzw. Irrationalen" sowie "Entstehung von Selbst-Modellen" betrachten wollen, lohnt sich ein Blick in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser Disziplinen:
"Die Soziologie ist ein Kind der Aufklärung. Sie hat sich stets darum bemüht, den Akteuren einen inneren Sinn zu unterstellen. Es hatte etwas Emanzipatorisches, von der Monumentalgeschichte der »großen Männer« umzustellen auf die Frage, wer warum was tat, tun musste, tun wollte. Mit der Dekonstruktion der Helden im Sinne der »großen Männer« wurden »Helden des Alltags« sichtbar, denen man nun Motive unterstellen konnte. Die Welt der Soziologie ist eine Welt des handelnden Individuums, und Grund und Ausgangspunkt des Handelns ist stets der Handelnde, der Akteur, dessen Motive dem von außen beobachtbaren Handeln einen inneren und äußeren Sinn verleihen. Paradigmatisch kommt das in Max Webers berühmter Bestimmung der Soziologie als einer Wissenschaft zum Ausdruck, deren ausgezeichneter Gegenstand in der Rekonstruktion sozialen Handelns liege. Soziales Handeln ist bei Max Weber ein Verhalten, mit dem der Handelnde einen subjektiv gemeinten Sinn verbindet (Weber 1972 S.1).
Darin ist letztlich die für die Soziologie konstitutive 'Theory of Mind' (ToM) [vgl.Kap.1+10] auf den Begriff gebracht. Handelnde – Andere und man selbst – sind Akteure, deren Motor ein subjektiv gemeinter Sinn ist, also ein Set von Motiven, dessen Bedeutung an den unterstellten Motiven Anderer und an deren Kulturbedeutung orientiert ist. Dem Handelnden wird eine Art selbstselektive Perspektive unterstellt, deren Einschränkungsbedingungen daran zu sehen
sind, wie sich die eigenen Motive zu den Motiven Anderer und zur Verstehbarkeit der Motive innerhalb kultureller Bezüge verhalten. Es ist also nicht die innere, subjektive Unendlichkeit, aus der sich Geist, Bewusstsein und Innenwelt speisen, sondern das, was etwa später Jürgen Habermas die »Lebenswelt« nennt:
»Als Ressource, aus der die Interaktionsteilnehmer ihre konsensfähigen Aeusserungen alimentieren, bildet die Lebenswelt ein Aequivalent für das, was die Subjektphilosophie als Leistungen der Synthesis dem Bewusstsein überhaupt zugeschrieben hatte. (Habermas 1985 S.379)«
" (Nassehi 2012 S.40)
Quellen:
Nassehi, Armin (2012). 'Mentalizing theories' oder 'theories of mentalizing'? In: Förstl, Hans (2te Aufl. Hrsg.). Theory of Mind - Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens S39-52. Berlin: SpringerMedizin
Gesellschafts-Diagnosen und 'Zeitdiagnosen' im Ueberblick
Der 'Gesellschafts-Charakter' - Die Aktualität der Konzepte von Erich Fromm